Karl: 'Bleibe dabei, dass Diversion eine gute Maßnahme ist'

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Justizministerin Beatrix Karl verteidigt ihren inzwischen beiseite gelegten Entwurf. Parteiinterne Kritiker hätten den Sinn des Vorhabens nicht verstanden, sagt Karl.

Die Presse: Auch auf die Gefahr, unhöflich zu klingen: An Ihrer wichtigsten Aufgabe sind Sie bisher gescheitert. Es galt, Vertrauen in die Justiz herzustellen. Wenn man etwa die vergangenen beiden Wochen ansieht, ist das nicht gelungen.

Beatrix Karl: Ich habe die Vertrauensoffensive Justiz zu Beginn des heurigen Jahres gestartet unter Beteiligung von allen Vertretern aus dem Justizbereich. Wir haben jetzt drei Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, die werden die ersten Ergebnisse Ende April liefern. Und in einer dieser Arbeitsgruppen wird auch die Diversion diskutiert werden. Darauf spielen Sie doch an.

Sie wissen, was wie passiert ist: Täglich ist von neuen Enthüllungen im U-Ausschuss zu hören, von ständig neuen Korruptionsvorwürfen. In dieser Situation machen Sie den Vorschlag, bei Korruptionsfällen Diversion zuzulassen. Sie müssen zugeben: Diese Optik ist verheerend.

Ja, weil der Vorschlag völlig falsch dargestellt wurde. Die Korruptionsverfahren müssen schneller gehen. Deshalb möchte ich die Staatsanwälte von den kleinen Fällen entlasten. Selbst Hubert Sickinger, ein Korruptionsexperte, sagt, man kann ein Drittel der Amtsmissbrauchsfälle problemlos mittels Diversion erledigen. Da geht es nur um Fälle von geringer Schuld.

Woran sich die Experten vor allem stoßen, ist, dass der Sachverhalt nicht mehr hätte aufgeklärt werden müssen. Das wäre ganz neu gewesen. Hinter einem kleinen Korruptionsfall kann – wenn man weiter ermittelt – ein großer stehen.

Den Punkt hätten wir wieder herausgenommen. Problematische Punkte aufzuzeigen ist der Sinn eines Begutachtungsverfahrens.

Schickt man Texte in die Begutachtung, um auf Probleme aufmerksam gemacht zu werden? Sie haben doch Experten im Haus.

Ich verstehe die Argumente, warum diese Textpassage abgelehnt wird. Sie kann tatsächlich zu falschen Schlüssen führen. Die Stellungnahmen dazu werden nun in der Arbeitsgruppe diskutiert.

Sie sagen, die Diversion war für kleine Fälle gedacht. Im Entwurf waren aber zwingend 360 Tagessätze als Geldbuße vorgesehen, für einen kleinen Fall ist das eine hohe Strafe. Das wäre nur für große Fälle attraktiv. Professor Helmut Fuchs sagt, man hätte die Diversion auch auf die Fälle Bawag oder Grasser anwenden können.

Derartige Fälle wären für die Diversion keinesfalls in Frage gekommen, weil in beiden Fällen die Hauptbeschuldigten von ihrer Unschuld überzeugt sind, sie keine Beiträge zur Schadensgutmachung geleistet haben und die Diversion nur bei einem nicht schwerwiegenden Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat in Frage kommt.

Wenn Ihr Vorschlag so gut war, warum haben Sie ihn dann heimlich im Sparpaket versteckt?

Er war nicht heimlich versteckt. Wenn er so heimlich gewesen wäre, dann hätten wir nicht diese Stellungnahmen bekommen.

Also Sie waren sich voll bewusst, was der Text bedeutet.

Ja. Warum soll man nicht manche kleine Fälle sinnvoll durch Diversion lösen? Ich bleibe dabei, dass Diversion grundsätzlich eine gute Maßnahme ist.

In Ihrer Partei dürften nicht alle mit dem Entwurf einverstanden gewesen sind. Haben die auch alle den Entwurf nicht verstanden?

Ich weiß nicht, wer aller den Gesetzestext gelesen hat. Einige haben vielleicht nur Zeitungsberichte gelesen.

Nun wollen Sie dem Parlament einen Entwurf für strengere Korruptionsregeln vorlegen und das „Anfüttern“ wieder strafbar machen. Wieso glauben Sie, dass es diesmal gelingen wird? Das letzte Mal war ein Sturmlauf der Sonderklasse, etwa von den Salzburger Festspielen, die Folge. Diese fürchteten ein Ende des Sponsorings.

Sie haben ja selbst von Zeiten wie diesen gesprochen, wo viele Korruptionsfälle aufgedeckt werden. Eine gewisse Akzeptanz, die es früher für viele Dinge gegeben hat, gibt es nun nicht mehr. Die Werte in der Gesellschaft haben sich glücklicherweise geändert.

Glauben Sie, dass die Korruption in Österreich größer geworden ist? Oder gerät sie jetzt nur stärker an die Öffentlichkeit und sorgt für mehr Empörung?

Ich glaube, dass sich das Bewusstsein geändert hat. Dass es Dinge gibt, die heute mehr Empörung hervorrufen.

Etwa wenn man sich von der Telekom Wahlkampf oder den ÖAAB-Parteitag subventionieren lässt?

Das ist strafrechtlich nicht verboten. Nicht alles, was moralisch verwerflich ist, ist strafrechtlich relevant. Man muss schon klar trennen: zwischen politischer und strafrechtlicher Verantwortung.

Aber es ist moralisch doch verwerflich?

Was zu kritisieren ist, ist mangelnde Transparenz. Parteienfinanzierung per se ist nichts Böses.

Von einem halbstaatlichen Unternehmen?

Wir brauchen absolute Transparenz, das muss etwa auch parteinahe Unternehmen einbeziehen.

Auch die Telekom Austria?

Darüber kann man durchaus diskutieren. Da muss man sich auch darauf einigen, ab welchem Grad der öffentlichen Beteiligung Unternehmen unter das Parteifinanzierungsverbot fallen.

Bundespräsident Heinz Fischer ist empört, weil das Sparpaket zu schnell beschlossen werden soll. Haben Sie als Justizministerin auch Bedenken, dass das Sparpaket zu schnell beschlossen wird?

Es ist natürlich schnell, und zwar deshalb, weil manche Bestimmungen früh in Kraft treten sollen.

Wenn es um Gesetze zum Lobbyismus oder zur Parteienfinanzierung geht, braucht guter Rat Weile. Wenn es um die Erhöhung von Gebühren geht, geht das unglaublich schnell.

Wenn wir sinnvoll sparen wollen, muss das auch schnell gehen.

Wissen Sie, wie lange man mit dem Auto von Lienz nach Kitzbühel braucht?

Sie reden von den Bezirksgerichten. Ein bis zweimal im Leben ist es einem Bürger zuzumuten, diese Entfernung zurückzulegen. Ich habe bei meinem Konzept bundesweit ein einheitliches Kriterium angelegt: es soll danach künftig an jedem Bezirksgericht mindestens vier Richter geben. Aber ich habe immer gesagt, ich werde mit den Ländern Verhandlungen über regionale Besonderheiten führen, etwa im Fall Lienz.

1 Stunde 21 braucht man von Lienz nach Kitzbühel.

Auch diese Strecke ist ein- oder zweimal im Leben zumutbar. Dafür bringt die Zusammenlegung drei wesentliche Verbesserungen: bessere Qualität durch Spezialisierung, besseres Bürgerservice und die erhöhte Sicherheit.

Heutzutage muss man aber schon vor Sicherheitsübungen bei Gericht Angst haben. Was sagen Sie zu den Vorfällen am Bezirksgericht Klagenfurt?

Dass eine Übung stattfindet, die Mitarbeiter in Panik versetzt, halte ich nicht für gerechtfertigt und äußerst bedauerlich. Der Präsident des Oberlandesgerichtes Graz wird morgen ein klärendes Gespräch in Klagenfurt führen. Dann werden wir weitere Schritte überlegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2012)

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