Mikl-Leitner: Reifeprüfung in Brüssel

Reifepruefung Bruessel
Reifepruefung Bruessel(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Nach schwachem Beginn mauserte sich Innenministerin Mikl-Leitner auf EU-Ebene in zehn Monaten zur geachteten Verhandlungspartnerin. Spurensuche einer erstaunlichen Wandlung.

Als Johanna Mikl-Leitner vor fast auf den Tag genau zehn Monaten erstmals als österreichische Innenministerin in Brüssel erschien, stellten sich Eurokraten, Diplomaten und Korrespondenten eine bange Frage: Wird das die Fortsetzung der „Methode Fekter“ mit anderen Mitteln? In den knapp drei Jahren zuvor hatte sich Amtsvorgängerin Maria Fekter in Brüsseler Kreisen den Ruf als knallharte, bisweilen im Ton übergriffige Kämpferin gegen die allzu löchrigen Grenzen Europas erworben. „Bei Fekter haben alle im Saal schon zusammengezuckt, wenn sie das Wort ergriff“, erinnert sich ein Mitarbeiter des Generalsekretariats im Brüsseler Rat.

Auch in der EU-Kommission hat man keine guten Erinnerungen an Fekter: „Bei den Räten ging es mit ihr immer hoch her“, sagt ein Mitglied der Entourage von Cecilia Malmström, der liberalen schwedischen EU-Kommissarin für Inneres. „Ständig hieß es: Cecilia dies, Cecilia das, nein, Cecilia, du verstehst mich nicht.“

Mikl-Leitners erste Auftritte auf der europäischen Bühne waren durchwachsen. Ihr war anzumerken, dass ihr das komplizierte Gefüge von Zuständigkeiten und Abläufen ein spanisches Dorf waren. Als sie im September über ihren Sprecher ausrichten ließ, Kommissarin Malmströms Pläne zur Reform des Schengenraums seien „eine Idee von Schreibtischtätern“, „undenkbar“, „völlig inakzeptabel“, und sie orte „angesichts solcher Ideen Größenwahn der EU“, schien das Urteil klar: Mikl-Leitner und Europa, das wird keine große Liebe mehr.

Nun, ein halbes Jahr später, ist Mikl-Leitner Sprecherin jener Gruppe von sieben nördlichen EU-Staaten, auf die rund drei Viertel aller Asylanträge in Europa entfallen. Am Mittwoch berief sie ein Treffen ihrer Amtskollegen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Schweden ein. Ein gemeinsames Sechs-Punkte-Manifest wurde formuliert, mit dem illegale Zuwanderung und Schlepperunwesen schon an den Außengrenzen Europas bekämpft werden sollen. Am Donnerstagmorgen, vor dem Ratstreffen der 27 Innenminister Europas, lud Mikl-Leitner zu einer Pressekonferenz mit ihrem deutschen Pendant Hans-Peter Friedrich (CSU) in den österreichischen Presseraum. Sie erklärte die Anliegen der Sieben souverän, erteilte artig dem „lieben Hans-Peter“ das Wort. „Sie war dann auch die Erste, die im Rat das Wort ergriffen und für die anderen gesprochen hat“, sagt ein Ohrenzeuge. Mit Fekters bisweilen isolierten Auftritten sei das nicht zu vergleichen. „Sie ist weniger emotional, weniger aufbrausend – aber um kein Deut weniger entschlossen.“

Die Ministerin hat sich auf der EU-Bühne gemausert. Wer nach Gründen dafür sucht, muss dreierlei feststellen. Erstens scheint sie aus ihrer Schwäche eine Stärke gemacht zu haben. Sie folgt dem Rat ihrer Fachleute, und Fachleute hat sie: Elisabeth Wenger leitet seit 2005 die Abteilung für EU-Angelegenheiten. Sie kennt Brüsseler Dossiers bis ins Detail. Darüber schwebt Gruppenleiter Wilhelm Sandrisser als graue Eminenz. So kamen in Mikl-Leitners Amtszeit kleine, aber wirksame Entscheidungen gegen das Unwesen der Schlepper zustande. Zum Beispiel jene, österreichische Experten an die ungarisch-serbische Grenze zu entsenden, um mit den dortigen Grenzschützern das Haupteinfallstor auf der „Balkanroute“ zu verriegeln. Demnächst werden fünf bis zehn österreichische Beamte in italienische Adriahäfen geschickt, um gezielt nach illegalen Zuwanderern Ausschau zu halten, die auf Fähren aus Griechenland ankommen.

Zweitens lernt sie schnell. Und sie ist sich der Grenzen für das politische Handeln auf EU-Ebene bewusst.

Drittens hat sie derzeit Glück. In der „Gruppe der Sieben“ hat sie Deutschland und Frankreich hinter sich. Zudem gibt es in der EU-Politik für Inneres derzeit nur einen Streit, der ein Land gegen die anderen stellt: in der Frage, ob Bulgarien und Rumänien dem Schengenraum beitreten sollen, üben nur die Niederlande Widerstand. In der Frage ist Mikl-Leitner übrigens überraschend klar auf Seiten der Befürworter. Auf das Thema angesprochen, geriet sie neulich beinahe ins Schwärmen angesichts der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit den bulgarischen und rumänischen Polizeibehörden.

Freilich: Die europäischen Flitterwochen der Ministerin könnten bald enden. Dann nämlich, wenn sich die Verhandlungen um die Reform des Asylwesens und des Schengen-Kodex im Dickicht der Interessenunterschiede zwischen Nord- und Südstaaten verfangen. Oder wenn die griechische Regierung nicht in der Lage ist, ihre Grenze zur Türkei wirksam zu überwachen. „Das ist ein völlig gescheitertes Staatswesen“, klagt sogar jemand in der Kommission, der Griechenland positiv gestimmt ist.

Irgendwann wird die FPÖ im Nationalratswahlkampf zum Angriff auf die Innenministerin blasen. Der Mix aus den Themen Asyl, Grenzschutz und EU-Ablehnung hat bisher noch bei jeder Wahl gezogen.

Doppelrolle

Seit April 2011
ist Johanna Mikl-Leitner Innenministerin. Die ÖVP-Politikerin aus Niederösterreich folgte Maria Fekter nach.

Seit November 2011
ist Mikl-Leitner als erste Frau nun auch Chefin des ÖVP-Arbeitnehmerbundes (ÖAAB).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2012)

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