SPÖ reanimiert alte Idee: Arbeitszeit soll verkürzt werden

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Die Ergebnisse der Initiative „Österreich 2020“, werden im Sommer präsentiert und nächstes Jahr Thema im Wahlkampf.

Wien. Die Initiative „Österreich 2020", ein selbst verordneter Nachdenkprozess der SPÖ, hat eine alte Forderung wiederentdeckt: Die Arbeitszeit, die gesetzlich mit 38,5 bis 40 Wochenstunden vorgeschrieben ist, soll verkürzt werden, wie SPÖ-Pressesprecher Oliver Wagner am Montag der „Presse" bestätigt hat. In den Arbeitsgruppen sei eine solche Maßnahme angedacht worden. Für einen konkreten Vorschlag brauche es aber noch Zeit, sagte Wagner. Soll heißen: Wie weit die Kürzung gehen soll bzw. ob sie überhaupt SPÖ-Linie wird, ist derzeit noch offen.

Doch grundsätzlich findet sich diese Retro-Idee in gleich mehreren Kapiteln der „Österreich 2020"-Zwischenberichte wieder. Eine „generell verkürzte Wochennormarbeitszeit" böte die Chance, Betreuungsaufgaben für Kinder und Pflegebedürftige nachzukommen, zitiert das Nachrichtenmagazin „Profil" aus dem Familienkapitel. Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern würde verkleinert und, nicht zuletzt, die Arbeitslosigkeit gesenkt.

Das ist insofern bemerkenswert, als sich in den vergangenen Jahren sogar der linke Parteiflügel der SPÖ vom Dogma Arbeitszeitverkürzung zu entfernen schien. Der Gewerkschaftsbund strich im Jahr 2009 eine jahrzehntealte Leitlinie aus seinem Grundsatzprogramm: Eine kürzere Erwerbszeit bleibt zwar das Ziel - die Forderung nach einer 35-Wochen-Stunde „bei vollem Lohnausgleich" wird aber nicht mehr ausdrücklich erhoben. Die Hintergründe damals: die Wirtschaftskrise und ein neuer Präsident (Erich Foglar), der einen pragmatischeren Kurs einschlagen wollte.

Hundstorfer: „Ein Thema von vielen"

Am Montag hieß es aus dem Gewerkschaftsbund: In den Diskussionsprozess rund um „Österreich 2020" seien auch einige Gewerkschafter eingebunden - die Vorschläge des ÖGB deckten sich daher mit jenen der SPÖ. Eine Kürzung der Erwerbszeit um etwa zehn Prozent brächte „90.000 zusätzliche Arbeitsplätze", glaubt man im Gewerkschaftsbund. Die Arbeitslosigkeit würde demnach „um zirka 55.000 Personen sinken".

Ex-ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer, mittlerweile Arbeitsminister und Leiter der „Österreich 2020"-Gruppe für Soziales, Beschäftigung und Wirtschaft, hielt sich einigermaßen bedeckt: Die Arbeitszeitverkürzung sei „ein Thema von vielen", ließ Hundstorfer über sein Büro ausrichten. Die Debatte darüber leugnete er nicht: Sie stünde unter der Prämisse, neue Arbeitszeitformen für ältere Beschäftigte zu finden. Konkrete Vorschläge gebe es vorerst aber nicht.

Diese dürften frühestens im Sommer präsentiert werden, wie SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas der „Presse" erklärte. Einige Teile von „Österreich 2020" seien „schon fertig, andere noch nicht". Im Debattenstadium auszuplaudern, auf wie viele Stunden die Wochenarbeitszeit verkürzt werden solle, wäre den Teilnehmern dieses Ideenwettbewerbes gegenüber aber unfair.

„Österreich 2020" - wenn man so will, die SPÖ-Version der ÖVP-Perspektivengruppe unter Josef Pröll - wurde im März 2011 gestartet, nach einer Serie von Wahlschlappen. Die Ergebnisse der Initiative sollen in das Wahlkampfprogramm für die Nationalratswahl 2013 aufgenommen werden. Und möglicherweise auch in ein neues Parteiprogramm, das laut Parteitagsbeschluss bis 2014 reformiert werden muss.

Kräuter gegen JVP-Ideen

Einen Vorschlag - wenn auch zu einem anderen Thema - hat Rudas bereits ausgeplaudert: Im „Standard" forderte sie vor Kurzem eine „GmbH light" - um Jungunternehmern, „die gern etwas probieren würden, aber nicht die 35.000 Euro Stammkapital haben", die Gründung einer GmbH zu erleichtern. Konkret will Rudas die Stammkapitalvorschrift lockern: „Ein paar hundert Euro, vielleicht auch ein paar tausend reichen."

Inwieweit in dem SPÖ-Papier auch Anregungen für eine Demokratiereform enthalten sein werden, blieb am Montag offen. Rudas' Kogeschäftsführer Günther Kräuter sprach sich im Ö1-„Mittagsjournal" gegen das Demokratiepapier der Jungen ÖVP aus: Die Vorschläge seien unausgegoren.
Am stärksten missfiel Kräuter die Idee, dass 100 Nationalratsabgeordnete nicht mehr von der Partei nominiert, sondern direkt gewählt werden sollen: „Das wäre eine echte Chancenverzerrung", zumal Unternehmer, Industrielle oder Großbauern weitaus bessere Chancen in ihrem Wahlkreis als Vertreter kleiner Parteien hätten, argumentierte der SPÖ-Bundesgeschäftsführer.

Auf einen Blick

Die Initiative „Österreich 2020“ wurde 2011 gestartet, um – wie es heißt – „sozialdemokratische Antworten auf Zukunftsfragen zu erarbeiten“. Geleitet wird das Projekt von Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas und Karl Duffek, dem Leiter des Renner-Instituts. [Jenis]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2012)

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