Scheuch-Prozess wird neu aufgerollt

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Weil das Klagenfurter Urteil zu sehr von der Anklage abwich, hob das Oberlandesgericht Graz die Haftstrafe gegen den freiheitlichen Politiker auf. Konsequenz: Der Prozess muss in Klagenfurt neu aufgerollt werden.

Wien. Uwe Scheuch konnte sich in seinem Prozess am Landesgericht Klagenfurt nicht ausreichend zu den Vorwürfen rechtfertigen, für die er verurteilt wurde. Das gab das Oberlandesgericht (OLG) Graz am Donnerstag bekannt. Die Konsequenz: Der Prozess muss in Klagenfurt neu aufgerollt werden. Der Spruch der Grazer Richter kommt dem freiheitlichen Politiker (FPK) und Kärntner Vizelandeshauptmann entgegen. Denn auch die 18 Monate Haft (sechs davon unbedingt), die der Kärntner Richter Christian Liebhauser-Karl über Scheuch verhängt hat, sind damit hinfällig. Scheuch hat dieses Urteil beim OLG angefochten.

Zum Strafmaß äußerten sich die Grazer Richter nicht, weil das Verfahren wegen des Formalfehlers ohnedies von vorn beginnen muss. Das Oberlandesgericht sah aber einen Verstoß gegen das sogenannte „Überraschungsverbot“. Denn angeklagt war Scheuch, weil er von einem Russen eine Parteispende gefordert – und im Gegenzug versprochen haben soll, sich für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Mann starkzumachen. Verurteilt wurde Scheuch aber auch deswegen, weil er als Gegenleistung für die Parteispende versprochen haben soll, sich für die Vergabe öffentlicher Fördermittel für ein Großprojekt einzusetzen.

Nun ist es dem Richter grundsätzlich erlaubt, Angeklagte auch für Dinge zu verurteilen, die der Staatsanwalt so gar nicht angeklagt hat. Aber aufmerksam machen muss der Richter den Beschuldigten zuvor auf die neuen Vorwürfe, damit dieser nicht später vom Urteil „überrascht“ wird, sondern sich rechtzeitig verteidigen kann. Und der Richter habe den Angeklagten hier nicht ausreichend auf die neuen Vorwürfe aufmerksam gemacht, erklärt Ulrich Leitner, Vizepräsident des OLG Graz im Gespräch mit der „Presse“.

Das „Überraschungsverbot“ gibt es in der heimischen Rechtsprechung noch nicht allzu lange: Vor etwa einem Jahrzehnt habe der Oberste Gerichtshof dieses eingeführt, sagt Helmut Fuchs, Vorstand des Instituts für Strafrecht an der Uni Wien. Seither komme es aber schon immer wieder vor, dass Urteile wegen Verstoß gegen das Überraschungsverbot gekippt werden. Ob man dem erstinstanzlichen Richter im Scheuch-Prozess einen großen Vorwurf machen kann, will Fuchs aus der Ferne nicht beurteilen. Möglicherweise habe der Richter gedacht, er habe Scheuch ohnedies auf den neuen Vorwurf aufmerksam gemacht, indem er das Thema angesprochen hat. Der formelle Hinweis habe aber vielleicht gefehlt, mutmaßt Fuchs.

Neuer Richter nötig

Im Gegensatz zum Zivilprozess muss im Strafprozess ein neuer Richter entscheiden, wenn die Oberinstanz das Urteil gekippt hat. Ist es sinnvoll, dass sich nun ein neuer Richter in die Causa einlesen und alle Zeugen neu befragen muss? „Ich halte das für richtig“, meint Fuchs. Denn sonst könnte man dem Richter Befangenheit vorwerfen. Dieser müsste schließlich über einen Angeklagten verhandeln, der sein Urteil bereits einmal angefochten hat.

Auf einen Blick

Der neue Richter wird es aber in Kärnten nicht leicht haben. Bereits Liebhauser-Karl war nach seinem Urteil gegen Scheuch Anfeindungen ausgesetzt: Scheuchs Chauffeur verfluchte den Richter in einem Leserbrief. Scheuchs Bruder Kurt, seines Zeichens FPK-Klubchef, bezeichnete den Juristen als „Kröte“. Ein FPK-Parteigänger erklärte sogar: „In Kalabrien würde der Richter nicht mehr leben.“ Der Kärntner SPÖ-Chef, Peter Kaiser, zeigte sich wiederum am Donnerstag „verwundert“ darüber, dass Scheuchs Urteil aufgehoben wurde.Der Prozess gegen den Kärntner Vizelandeshauptmann Uwe Scheuch wegen Korruption muss wiederholt werden. Grund ist ein Formalfehler: Der erstinstanzliche Richter hat Scheuch auch wegen eines Vorwurfs verurteilt, auf den der FPK-Politiker zuvor nicht aufmerksam gemacht wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2012)

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