Grüne, Blaue zittern vor Wiener Piraten

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Wiener Piraten wollen sich als junge urbane Protestpartei positionieren. Das könnte künftig die Grünen, aber auch die FPÖ Stimmen kosten.

Nach dem Wahlerfolg in Innsbruck (erstmals kam die Partei in einen Gemeinderat) segeln die Piraten mit Rückenwind – vor allem in Wien. „Wir haben derzeit einen enormen Mitgliederzulauf“, erklärt Toni Straka vom Vorstand der Wiener Piraten. Derzeit seien es etwa 550 – Tendenz stark steigend.

Den Grund für den Piraten-Boom in Wien ortet Straka nicht nur im deutschen oder Innsbrucker Wahlerfolg: „Wien ist jung und urban. Und wir haben eine junge Wählerschaft.“ Dazu kommt: Die Piraten seien eine Protestpartei. „Und in Wien ist das Protestpotenzial österreichweit am größten.“ Womit Stimmen von der FPÖ abgezogen werden könnten.

Die Wiener Fraktion hat für die österreichischen Piraten eine besondere Bedeutung – sie ist die Keimzelle der Freibeuter, so Straka. Die Gründung erfolgte bereits 2006. Bei der Wien-Wahl 2010 wollten die Wiener Piraten antreten, wurden aber versenkt. Sie schafften die 1800 Unterstützungserklärungen nicht, um antreten zu dürfen (für die Kandidatur auf Bezirksebene wären 50 Unterstützungserklärungen pro Bezirk notwendig gewesen). „Die Zeit war damals noch nicht reif“, meint Straka.

Nun ist alles anders. „Wir haben in 14 Tagen bundesweit 100 Mitglieder dazubekommen“, freut sich Straka, der fix mit einem Antreten bei der Wien-Wahl 2015 rechnet.

Das Erstarken der Piraten ist nicht nur für die FPÖ, sondern vor allem für die Wiener Grünen unangenehm. Man habe durchaus ein ähnliches Wählerpublikum, meint Straka: junge, urbane Menschen mit einer besonderen Affinität zu den Neuen Medien.

Auch in anderen Bereichen überschneiden sich Piraten und Grüne. Zu den Forderungen der Wiener Piraten gehört z. B. das Thema Radwege (bessere Markierungen, Verbesserung des Ring-Radweges). Dazu kommen die Forderungen nach Wahrung der Privatsphäre, einem freien Internet und dem Ausbau von kostenlosen, öffentlich zugänglichen WLAN-Punkten – wie es auch die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou propagiert. Auch wollen die Piraten in Wien den fahrscheinlosen Verkehr in den öffentlichen Verkehrsmitteln einführen. Weiters fordern sie die Reduzierung des Fluglärms – ein grünes Kernthema.

Der grüne Klubchef David Ellensohn sieht kein Problem. Berlin hätte gezeigt, dass die Grünen anständig dazugewonnen hätten, obwohl die Piraten in das dortige Stadtparlament eingezogen seien: Außerdem hätte auch Innsbruck gezeigt, dass die Piraten die FPÖ gebremst hätten, da sie – wie die FPÖ – eine Protestpartei seien. Abgesehen davon seien die Piraten derzeit vor allem ein Hype in den Medien, aber nicht in der Bevölkerung.

Bleibt die Frage, wer die Wiener Piraten überhaupt sind. Sie sind zwischen 17 und 82 Jahre alt, Internet-Anhänger, Wirtschaftstreibende (aus Wiener Klein- und Mittelbetrieben), aber auch Beamte. „Ein vielfältiger Haufen“, meint Straka: „Und 85 Prozent davon sind mit den Zuständen in der Politik unzufrieden.“ Ob die Piraten in Wien auf Erfolgskurs segeln werden, bleibt aber unklar: Sie besitzen weder Geld für die Parteiarbeit, wie Straka zugibt, noch ein klares Parteiprogramm, noch umfangreiche Strukturen in Wien.

E-Mails: martin.stuhlpfarrer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2012)

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