Krankenstände: SPÖ lehnt schärfere Kontrollen ab

Krankenstaende SPoe lehnt schaerfere
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Gesundheitsminister Stöger, Sozialminister Hundstorfer und die Arbeiterkammer können dem Vorschlag aus der ÖVP nichts abgewinnen. Auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ist skeptisch.

Wien/Pri/Uw. Schärfere Kontrollen bei Krankenständen? In der SPÖ stößt der Vorschlag der ÖVP-Abgeordneten Gabriele Tamandl auf breite Ablehnung: Die Krankenkassen kontrollierten bereits streng – das sei richtig und jedenfalls ausreichend, ließ Gesundheitsminister Alois Stöger am Dienstag der „Presse“ über sein Büro ausrichten. „Kranke sollten sich auskurieren und nicht dafür bestraft werden.“

Ähnlich argumentiert Sozialminister Rudolf Hundstorfer: Man könne nicht jedem Arbeitnehmer unterstellen, „dass er sich aus Spaß im Krankenstand befindet“. Häuften sich die Krankenstände, sollte innerbetrieblich eine Lösung gefunden werden – „unter Einbeziehung des Arbeitnehmers, des Personalbüros und des Betriebsrates“.

Tamandl, die am Donnerstag zur Wiener ÖAAB-Chefin gewählt werden dürfte, hatte in der Montags-„Presse“ Folgendes angeregt: Wenn Unternehmen beweisen könnten, dass Beschäftigte auffällig oft an Montagen, Freitagen und Fenstertagen fehlten, sollten die Betriebe sofortige Kontrollen durch die Sozialversicherungen verlangen können. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, Bundesobfrau des ÖAAB, unterstützt diesen Vorstoß.

Der Anlass? Laut Fehlzeitenreport des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) gibt es einen deutlichen Anstieg bei den kurzen Krankenständen (ein bis drei Tage). 1990 wurden pro 1000 Versicherten noch 185,8 Kurzkrankenstände verbucht, 2010 waren es bereits 411,5.

Phänomen „Präsentismus“

Alice Kundtner, Bereichsleiterin für Soziales in der Arbeiterkammer Wien, hält Tamandls Idee dennoch für „bürokratisch und kleinkariert“. Bürokratisch, weil eine solche Vorgangsweise enorm viel Personal erfordern würde. Kleinkariert, weil die Aufregung „nicht gerechtfertigt“ sei: Insgesamt nahmen die Krankenstände in den vergangenen Jahren nämlich deutlich ab. Im Jahr 2000 fehlten Arbeiter und Angestellte durchschnittlich 13 Arbeitstage krankheitsbedingt, 2010 sank die Zahl auf 10,8 Arbeitstage.

In Wahrheit, sagt Kundtner, gehe der Trend in die andere Richtung – das zeigten die Ergebnisse des Arbeitsgesundheitsmonitors 2009: 42 Prozent der unselbstständig Beschäftigten gaben an, „im vergangenen Halbjahr zumindest ein Mal zur Arbeit gegangen zu sein, obwohl sie krank waren“. „Präsentismus“ heißt dieses Phänomen.

Die Motive dahinter sind etwa „kein gutes Verhältnis zu den Vorgesetzten“, das Pflichtgefühl gegenüber Kollegen, aber auch „keine Vertretung“. Kundtner schließt daraus, „dass diese Frage von den Betrieben selbst gelöst werden muss“.

Doch damit will sich der ÖVP-Wirtschaftsbund nicht zufriedengeben. „Die Betriebe müssen entlastet werden“, sagt Generalsekretär Peter Haubner. Laut Wifo beliefen sich die Krankenstandskosten der heimischen Unternehmen im Jahr 2010 auf 2,9 Mrd. Euro.

Gespräche zwischen ÖVP-Bünden

Vor Kurzem schlug Haubner daher vor, den ersten Krankenstandstag nicht mehr zu bezahlen – und brach eine Debatte vom Zaun. Tamandls Beitrag wollte Haubner nicht kommentieren. Nächste Woche soll es ein Gespräch zwischen Wirtschaftsbund und ÖAAB geben.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) äußerte sich gestern zurückhaltend bis ablehnend zu den Vorstößen aus seiner Partei. „Das sollen sich die Sozialpartner anschauen“, sagte er zur „Presse“. Bestrafungen hielte er jedoch für „eine zweischneidige Angelegenheit“. Da sie dazu führen könnten, „dass die Leute einfach länger daheim bleiben“. Stattdessen brauche es „mehr Aufklärung und betriebliche Information“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2012)

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