Am Boden. Nach jahrelangen Grabenkämpfen hat die Grazer SPÖ zu wenig Leute für den Maiaufmarsch. Und auch die Wähler machen sich rar.
Graz. „Wir sind nicht tot“, hatte Martina Schröck nach ihrer Kür zur Grazer SPÖ-Chefin im Herbst des Vorjahres in einem „Presse“-Interview erklärt. Tot ist einige Monate später aber nun zumindest der 1.-Mai-Aufmarsch der Grazer Sozialdemokraten. Während morgen, Dienstag, in Wien die Genossen ihre Macht demonstrieren, bleibt es in den Straßen der Grazer Innenstadt still.
Wobei das nicht ganz korrekt ist, denn die Kommunisten werden marschieren. Zu ihrer Kundgebung am 1.Mai kamen bereits im Vorjahr mehr Menschen als zur SPÖ. Das dürfte einer der Gründe sein, warum die Sozialdemokraten diesmal nicht auf die Straße gehen. Stattdessen will man eine „moderne Feier“ auf dem Schlossberg abhalten. Was der Grazer SPÖ aber mehr Sorgen macht als der abgesagte Maiaufmarsch, sind die aktuellen Umfragen im Vorfeld der im Jänner 2013 anstehenden Gemeinderatswahl. So wies eine OGM-Umfrage für die „Kleine Zeitung“ zuletzt für die SPÖ nur mehr 15 Prozent aus. Damit liegt man hinter ÖVP und FPÖ auf Platz drei und muss fürchten, auch noch von den Grünen und den Kommunisten eingeholt zu werden. Auf die Frage, wen sie direkt zum Bürgermeister wählen würden, antwortete gar nur ein Prozent der Grazer mit „Martina Schröck“.
Das sind vernichtende Daten für eine Partei, die in Graz lange die stimmenstärkste war. Bis 2003 stellte die SPÖ mit Alfred Stingl auch einen populären Bürgermeister. Sein Nachfolger als SPÖ-Chef, Walter Ferk, verlor den Bürgermeistersessel aber prompt an die ÖVP von Siegfried Nagl. Nachdem Ferk, der 2008 eine noch deutlichere Wahlniederlage eingefahren hatte, zurückgetreten war, gingen die Grabenkämpfe erst recht los. Als Schröck im September 2011 zur Parteichefin gekürt wurde, war sie bereits die sechste Person, die innerhalb von eineinhalb Jahren die Grazer SPÖ anführt. Schröck präsentiert sich jung und urban und will mit sozialen Themen punkten. Ihre Aufgabe wird es aber vor allem sein, wieder Ruhe in die Partei zu bringen. Der Bürgermeistersessel ist ohnedies in weiter Ferne. Denn auch wenn der schwarze Amtsinhaber Siegfried Nagl samt seiner schwarz-grünen Koalition nicht unumstritten ist, gilt seine Wiederwahl als sicher.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2012)