Die Symbolik des Heldenplatzes

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Platz fuer Geschichte(c) APA/ANDREAS PESSENLEHNER (ANDREAS PESSENLEHNER)
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Um Symbolik und Oberhoheit des Heldenplatzes wird wieder einmal gestritten. Unter Führung Werner Faymanns werden NS-Zeit und Aufarbeitung von fast allen Parteien für den beginnenden Wahlkampf genutzt.

Selbst in einem an politischen Symbolen und Traditionen reichen Land ist es als Überraschung zu werten: Am Dienstag werden Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger jeweils eine Erklärung abgeben, nachdem am 8.Mai 1945 mit der Kapitulation der Wehrmacht der Zweite Weltkrieg geendet hat. Festredner ist Paul Lendvai. Ebenfalls dabei ist Bundespräsident Heinz Fischer. Zu erwarten ist eine klare Abgrenzung der Politiker vom kleinen Heldenplatz-Nachbarn Ballhausplatz zum alten und neuen Rechtsextremismus.

Mehr oder weniger klare Andeutungen in Richtung Heinz-Christian Strache sind dem Vernehmen nach ebenfalls geplant. Das passt ganz zur neuen Strategie der SPÖ-Spitze: sich als Bollwerk gegen den Rechtspopulismus zu inszenieren, um Anhänger und Funktionäre im „Duell“ gegen Strache zu mobilisieren. Michael Spindelegger bleibt nichts anderes übrig, als schweigend mitzuspielen.

Für solche Positionierungen eignet sich der Tag der Befreiung besonders: Rechtsaußen sieht ihn als Tag der Kapitulation, ergo Niederlage. Die Burschenschafter versammeln sich traditionell am Abend davor zur Kranzniederlegung für die Gefallenen, natürlich bei der Krypta am Heldenplatz, wo dem Unbekannten Soldaten gedacht wird und im Totenbuch die Gefallenen des Weltkriegs verzeichnet sind.


Ohne Strache. Heinz-Christian Strache, über dessen Teilnahme an dem Zeremoniell vor einem Jahr heftig diskutiert und gestritten wurde, dürfte auch heuer wieder fern bleiben. Damit dürfte den zahlreichen Gegendemonstranten, die in diesem Jahr geschmacklos bis um Originalität bemüht mit koscherem Sekt auf die Befreiung anstoßen wollen, allerdings auch der eigentliche Grund für die Mobilisierung fehlen: Ohne Strache zahlt sich der Marsch auf die Straße weniger aus.

Die Israelitische Kultusgemeinde wird sich jedenfalls gegen „das ewig gestrige Wehrmacht- und SS-Gedenken auf dem Wiener Heldenplatz“ stellen: Gemeinsam mit Vertretern der Stadt Wien ist dort am 8. Mai um 17 Uhr eine Feier der „Befreiung vom nationalsozialistischen Verbrecherregime“ geplant. Katholische Verbindungen wie der Österreichische Cartellverband und der Mittelschüler-Kartellverband reagieren mit einer anderen Form der „Gegenveranstaltung“: Um 18Uhr findet ein Gedenkgottesdienst im Wiener Stephansdom für die Opfer des Zweiten Weltkriegs statt.

Am lautesten widmen sich allerdings die Grünen dieser Tage dem Heldenplatz: Bildungssprecher Harald Walser führt eine Kampagne gegen das Totengedenken auf dem Platz und damit gegen Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ): Im Totenbuch würde nicht nur einfachen Soldaten der Wehrmacht, sondern auch Angehörigen der SS, einer Verbrecherorganisation, offiziell gedacht. Dass auch ausländische Staatsgäste zur Kranzniederlegung auf den Platz vor der Krypta gebeten werden, ist für Walser unerträglich, wie er sagt. Und: „Es hat ja wohl einen Grund, warum sich die Burschenschafter immer hier treffen.“

Doch auch Walser hat nicht allein die Auseinandersetzung mit dem NS-Gedenken im Visier: Er fordert eine radikale Veränderung beziehungsweise völlige Neugestaltung der Krypta. Das Gedenken an Wehrmacht und SS mit dem Hinweis auf Pflichterfüllung müsse endlich aufhören, die Totenbücher verschwinden, fordert er. Statt an den Unbekannten Soldaten zu erinnern, müsse ein Denkmal der Zweiten Republik errichtet werden. Auch das Bundesheer solle sich von dem Ort völlig entfernen.

Walser schreibt dies unermüdlich in Kommentaren, und damit trifft er den Nerv des ohnehin notorisch überlasteten Verteidigungsministers: Norbert Darabos hat in seiner Partei weitum die vermutlich stärkste Affinität zur Zeitgeschichte und dem Antifaschismus. So lehnte Darabos ursprünglich ein Berufsheer mit dem ideologischen Verweis auf den Bürgerkrieg zwischen Sozialisten und Austrofaschisten ab. Dieses alte Dogma seiner Partei musste der SPÖ-Minister als Letzter aufgeben.


Darabos setzt Kommission ein. Nun muss ausgerechnet er sich von den Grünen vorwerfen lassen, er würde ein SS-Gedenken dulden. Er hat den Fall einer Kommission übergeben, deren Mitglieder, etwa Heidemarie Uhl, sich um eine neue Bewertung beziehungsweise Gestaltung den Kopf zerbrechen sollen. Da werde nichts rauskommen, will Walser bereits von einem Mitglied gehört haben, fast alles auf dem Platz werde bleiben, wie es ist.

Darabos versteht die Aufregung nicht ganz, im Verteidigungsressort spricht man auch von Übertreibungen der Grünen und Verdrehungen. In einer parlamentarischen Anfragebeantwortung schreibt Darabos: „Was die Krypta im Burgtor des Heldenplatzes betrifft, möchte ich darauf hinweisen, dass ich im Jahr 2008 eine zusätzliche Tafel im Gedenken an alle aus rassistischen Gründen Verfolgten habe anbringen lassen. Da es gerade im Bereich der militärischen Gedenkstätten notwendig ist, den Bestand an Denkmälern mit militärischer Erinnerungskultur im Lichte der Erkenntnisse der historischen Forschung regelmäßig auf seine Angemessenheit zu überprüfen, habe ich die Militärhistorische Denkmalpflegekommission beauftragt, sich erneut und umfassend mit diesem Themenkomplex zu befassen.“ Es gebe neben der Krypta zwei weitere Räume, in denen allen Österreichern, die für Heimat starben, gedacht werde.

Dass es den Grünen aber nicht allein um das mögliche NS-Gedenken geht, wird deutlich, wenn man Walsers Forderungen liest: Ihm geht es um eine „Entmilitarisierung“ des Platzes. Das passt zur zweiten historischen Schwerpunktsetzung seiner Partei: Lange hatten sich die Grünen zu Recht für eine Rehabilitierung der Deserteure der Wehrmacht eingesetzt. Die wurde erreicht und umgesetzt. Nun solle noch ein Denkmal für die Verweigerer errichtet werden. Wo? Auf dem Heldenplatz natürlich: Laut den Grünen sollen also ein Denkmal der Republik, mit dem auch an die Opfer der NS-Zeit gedacht werden soll, und ein Ort für die Deserteure entstehen?

Aber warum eigentlich nicht auch für die Widerstandskämpfer, die in der Debatte um Deserteure seltsam unterbelichtet wurden? Auch eine kleine historisch-ideologische Umerziehung und Entmilitarisierung? Walser reagiert mit hörbarer Empörung: „Das lasse ich mir jetzt nicht vorwerfen. Ich habe selbst über den Widerstand in Vorarlberg geforscht und publiziert.“ Die Würdigung der Widerstandskämpfer sei unbestritten, selbstverständlich müsste ihnen daher auch auf dem Heldenplatz gedacht werden. Also ein drittes Denkmal...

Um solche Details will sich Faymann nicht kümmern. Aber im Gegensatz zu seinem Vorgänger Alfred Gusenbauer, der das Thema Zeitgeschichte mehr als Orchideenfach verstanden hat, versucht der Kanzler den antifaschistischen Ton seiner Partei zu treffen. Mit dem lässt sich trefflich gegen Strache und eine mögliche Wiederauflage von Schwarz-Blau Stimmung machen.


Häupl macht es vor. Vorgezeigt hat dies Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl, der schon einmal FPÖ-Wahlkämpfe mit der Hetze der NSDAP verglichen hat. Auf Bundesebene geht das weiter: Denn damit will Faymann auch seinen Koalitionspartner ÖVP unter Druck setzen, sich abzugrenzen, und mahnt, dass die ÖVP ohne klare Distanzierung bei der Wählerschaft Probleme bekommen könnte. Die SPÖ wird daher alles tun, um Strache selbst – wie etwa beim WKR-Ball Ende Jänner mit dem „Neue Juden“-Sager – ins rechte Eck zu zwingen. Genau das versucht Strache vorerst zu verhindern und meidet den Heldenplatz. Dieser ist endgültig die politische Projektionsfläche der Republik.

Chronologie

1938
Nach dem Einmarsch hält Adolf Hitler am 15. März vom Balkon der Neuen Hofburg aus eine Rede: Der Heldenplatz ist mit Menschen gefüllt.

1945
Mit der Kapitulation der Wehrmacht endet am 8. Mai der Zweite Weltkrieg.

2012
Nach dem regulären Dienstag-Ministerrat wird es am 8. Mai heuer erstmals Erklärungen von Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger zum Gedenken an die Befreiung vom Nationalsozialismus und das Ende des Zweiten Weltkriegs geben. Festredner bei der Veranstaltung „Umbruch – Aufbruch – Europa“ im Kanzleramt ist der Journalist Paul Lendvai.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2012)

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