Faymann und das schwelende Wien-Problem

Werner Faymann.
Werner Faymann.(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Wesentliche Teile der SPÖ tragen die neue Flüchtlingspolitik nicht mit. Mit der Hofburg-Wahl könnte sich die Stimmung in der Partei gegen Werner Faymann drehen.

Eigentlich hätte Werner Faymann ja damit rechnen müssen, aber als es dann tatsächlich so kam, soll er ein wenig gekränkt gewesen sein. In der Sitzung des SPÖ-Bundesparteivorstandes am Montag hatte der Kanzler – unter großem Applaus – den Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik argumentiert. Aber ausgerechnet einige Wiener Parteifreunde, allen voran Sozialstadträtin Sonja Wehsely und Vizebürgermeisterin Renate Brauner, sollen ihm demonstrativ den Beifall verweigert haben.

Bestätigen wollte das niemand in Wien – man plaudere keine Interna aus. Aber kontroversielle Debatten räumte man dann doch ein: Nicht nur über die Obergrenze, die Faymann lieber Richtwert nennt, sondern auch über die Mindestsicherung, bei der man sich eine einheitliche Position der SPÖ wünscht.

Werner Faymann hat derzeit ein Problem mit seiner Heimatpartei, denn die hat – auch und vor allem in Asyl- und Integrationsfragen – ein Problem mit sich selbst. Dem „Haltung-kennt-keine-Obergrenze“-Flügel, dem neben allen Stadträtinnen auch Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler angehört, steht die Flächenbezirksfraktion mit Stadtrat Michael Ludwig gegenüber, die angesichts der FPÖ-Konkurrenz inhaltlich ins Burgenland bzw. zur Gewerkschaft tendiert, wo man dem Flüchtlingsstrom Einhalt gebieten will.

Häupl, der Mediator

Dass Michael Häupl als Mediator zwischen diesen Blöcken steht, ist die gute Nachricht für Faymann. So hält ihm der Bürgermeister im Verbund mit der Gewerkschaft, die sich dafür Jobs in der Regierung aussuchen kann, den Rücken frei. Oder besser gesagt: noch. Denn, wenn es stimmt, was Teilnehmer der Vorstandssitzung vom Montag berichten, dann ist das Fundament, auf dem Faymann derzeit in der SPÖ steht, ein äußerst fragiles.

Die Stimmung, heißt es, sei schlecht. In den Umfragen ist die FPÖ nun schon sehr lange sehr konstant in Führung, während die SPÖ mitunter auf Platz drei zurückgefallen ist. Der linke Parteiflügel, der von Wehsely angeführt wird, ist jedoch der Meinung, dass das noch keinen Rechtsruck in der Asylpolitik rechtfertigt. Weshalb sich Faymann nun mit einer innerparteilichen Opposition konfrontiert sieht, die ihm vorwirft, nicht nur seine Glaubwürdigkeit, sondern auch die der Partei verspielt zu haben.

Vieles, wenn nicht alles, hängt nun an der Bundespräsidentenwahl. Gewinnt Rudolf Hundstorfer, ist Faymann wieder abgesichert. Verpasst der SPÖ-Kandidat die Stichwahl, kommt der Kanzler intern unter Druck. Wenn er das nicht schon ist. Denn wie ÖVP-Kandidat Andreas Khol kämpft auch Hundstorfer gegen die Umstände: Erstmals könnte die Hofburg für den Wählerprotest herhalten müssen. Denn die – lange Zeit – zaghafte Asylpolitik der Regierung hat das Vertrauen in ihre Lösungskompetenz nur noch weiter beschädigt.

Erschwerend für Hundstorfer kommt hinzu, dass er der einzige Kandidat ist, der direkt aus dieser Regierung kommt. Und dass viele der aktuellen Probleme in seinen ehemaligen Zuständigkeitsbereich als Sozialminister fallen: Arbeitsmarkt, Mindestsicherung und – wieder einmal – die Pensionen.

In Faymanns Umfeld hat sich deshalb Nervosität breitgemacht, nicht nur im Hinblick auf den SPÖ-Parteitag im Herbst. Wenn Hundstorfer scheitert, sei alles möglich, sagt ein Sozialdemokrat. Dann könnten Faymanns Wiener Kritiker die Oberhand gewinnen, sodass auch Häupl und die Gewerkschafter ihre schützenden Hände vom Parteichef lassen. Im besten Fall wäre er dann bei der Nationalratswahl im Jahr 2018 nicht mehr Spitzenkandidat. Im schlechtesten müsste er die Partei sofort übergeben.

Allerdings, heißt es in der SPÖ, dürfe man Faymanns machtpolitisches Geschick nicht unterschätzen. Bis jetzt habe er noch jede Krise in den eigenen Reihen durchgestanden. Und derer gab es seit seinem Amtsantritt im Jahr 2008 dann doch eine ganze Menge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2016)

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