Porträt: Der ewige Zweite als erster Mann im Staat

Ein Mann für jede Jahreszeit, so lautet eine Einschätzung über Heinz Fischer. Jetzt steht er am Zenit.

Heinz Fischer ist am Ziel. Im 66. Le bensjahr. Der einstige Kronprinz von Kreiskys Gnaden war schon einer der Kandidaten für den Parteivorsitz der SPÖ und den Bundeskanzler. Zur Kandidatur kam es nie, Fischer blieb der zweite Mann seiner Partei.

Die Biografie: Am 9. Oktober 1938 in Graz geboren, humanistisches Gymnasium in Wien, Jusstudium. Er hätte Wirtschaftsjurist werden wollen, erzählte Fischer. Aber die Weichen waren in der Schulzeit gestellt: Er war bei den sozialistischen Mittelschülern (in Hietzing!), dann bei den SP-Studenten. Die sozialistische Intellektuellen-Ochsentour also.

Auffallend war sein Eilzugstempo. Das Studium absolvierte er in acht Semestern, zwischendurch war er beim Bundesheer. Den Vorsitz der SP-Studenten hatte er auch inne.

Nach dem Gerichtsjahr nahm er 1963 den Job des Sekretärs der SP-Parlamentsfraktion an. Damit folgte Fischer der politischen Tradition seiner Familie: Sein Vater war von 1954-56 Staatssekretär, eine Tante steirische Landesrätin, beide bei der SPÖ. 1971 erhielt Fischer sein Nationalratsmandat, 1975 wurde er Obmann des Parlamentsklubs.

Bruno Kreisky und Christian Broda nennt er als seine frühen Vorbilder. Als Kreisky Ende der 70er Jahre Jungpolitiker um sich scharte, gehörte der umtriebige Parlamentarier zu den Kronprinzen: voran Finanzminister Hannes Androsch und Leopold Gratz, damals Wiener Bürgermeister, dann Unterrichtsminister Fred Sinowatz, Zentralsekretär Karl Blecha und eben Klubchef Fischer. Das Rennen machte Sinowatz. Als Blecha 1983 im Kabinett Sinowatz Innenminister wurde, trat auch Fischer in die Regierung ein. Den Regierungsbonus wollte er nicht dem Konkurrenten Blecha überlassen.

Die früheren Konkurrenten sind abhanden gekommen. Androsch überwarf sich mit Kreisky, Blecha und Gratz blieben in Lucona-Verfahren und Noricum-Affäre auf der Strecke, Sinowatz scheiterte an Hainburg-Protesten, der Intertrading-Pleite und an der für die SPÖ verlorenen Präsidentenwahl 1986. Aber neuer SP-Frontmann wurde nicht Fischer - schon seit 1979 SP-Vizechef -, sondern Franz Vranitzky.

Fischer werkte ab 1986 wieder als Klubobmann und stieg 1990 zum Ersten Nationalratspräsidenten auf. Erst nach zwölf Jahren, nach der Wahl 2002, verlor er diesen Posten. Die SPÖ wurde nur zweitstärkste Partei, Fischer blieb dennoch im Parlament. Nun als Zweiter Nationalratspräsident.

Eine andere Facette ist das Verhältnis Fischers zu den Büchern. Er selbst hat zwei Dutzend geschrieben. Mit zehn Publikationen (Sammel-Habilitationsarbeit) ist er an der Uni Innsbruck Dozent geworden (Fachgebiet: Politikwissenschaft). Das war 1977 und löste Proteste aus.

Über Fischer gibt es mehrere, wenig schmeichelhafte Bücher von früheren Weggefährten wie von Kritikern. Diese wollten Fischers politische Wendigkeit offen legen: Er arrangierte sich mit den jeweiligen SP-Mächtigen und hielt sich aus internen Konflikten heraus. "Ein Mann für jede Jahreszeit", meinte ein Kommentator, als er sich im Konflikt zwischen Finanzminister Herbert Salcher und Androsch "geradezu penetrant" heraus hielt.

Auf der Spurensuche nach Kanten und Ecken im politischen und privaten Bereich wird man bei Fischer kaum fündig. Noch vor 30 Jahren steuerte er einen knallroten Alfa Romeo, das wunderte manche. Vor zwölf Jahren lief er die 15 Kilometer beim jährlichen Wiener Frühjahrslauf. Darauf gab es aber ein böses Erwachen. Am Abend des selben Tages musste er die Niederlage Rudolf Streichers gegen Thomas Klestil bei der Präsidentschaftswahl zur Kenntnis nehmen.

Politisch fiel Fischer 1971 durch seine "Roten Markierungen" auf. Mit diesen positionierte er sich am linken Flügel, ohne freilich kämpferisches Talent zu zeigen. Interessant ist seine Parteinahme für seinen Pressebegleiter Bruno Aigner. Als dieser im Zuge des AKH-Skandals schrieb, dass jetzt in der SPÖ "Eiterbeulen aufplatzen", erteilte ihm die Partei eine Rüge. Aber das kümmerte Fischer nicht weiter. Aigner: "Das ist eine Toleranz, die ich persönlich erlebt habe."

Manche Dinge will Fischer nicht in der Öffentlichkeit erörtern. Wie zum Beispiel familiäre Belange. Oder sein (Nicht-)Verhältnis zur Religion. Er sei Agnostiker, sagt er. Ob er nie einer Kirche angehört hat oder ob er einmal ausgetreten ist? "Religion ist Privatsache", so die Antwort. Punktum.


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