Sympathie für Wahlreform

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Vorstoss. Große Koalitionen sollten die Ausnahme sein, sagt Wissenschaftsminister Hahn.

WIEN. Gerd Bacher hat ihn überzeugt: „Wir müssen in der nächsten Legislaturperiode das Mehrheitswahlrecht angehen“, sagt Johannes Hahn, Wissenschaftsminister und ÖVP-Wien-Chef im „Presse“-Gespräch. Er tendiert zum minderheitenfreundlichen Modell, wonach die stimmenstärkste Partei 50 Prozent der Mandate plus eins bekommt, die restlichen Sitze aber wie beim Verhältniswahlrecht auf die Opposition aufgeteilt werden. Es sollte sich auch in Österreich herumgesprochen haben, dass eine Große Koalition nur für Ausnahmesituationen gedacht sei, so Hahn. „Und die haben wir angesichts unserer guten wirtschaftlichen Performance nicht.“

„Mysterium Faymann“

Noch ist es aber nicht so weit, die stärkste Partei braucht auch im Herbst einen Partner, der stark genug ist, um die Mehrheit zu sichern. Den von der SPÖ präsentierten Umfragen, wonach die jetzige Kanzlerpartei acht Prozentpunkte hinter der ÖVP liegt, glaubt Hahn nicht. Das sei ein Versuch der Mobilisierung der eigenen Parteikollegen vermutet er.

Den roten Spitzenkandidaten Werner Faymann kennt Hahn schon lange aus der Wiener Kommunalpolitik. Aber wirklich kennen? „Der ist eines der größten Mysterien.“ Nicht einmal in seiner früheren Kerndisziplin, dem Wohnbau sei sein Gestaltungswille erkennbar, sagt Hahn. „Es gab nie einen Kanzlerkandidaten, von dem man so wenig über seine politischen Überlegungen kannte. Das sollte die Öffentlichkeit kribbelig machen.“ Die ersten Offenbarungseide habe Faymann schon verstreichen lassen – indem er letzte Woche im Parlament nicht reden wollte – „weil er sich offenbar nicht mehr als Regierungskoordinator betrachtet“. Hahn: „Ein bisschen sei das so wie beim Spiel ,Reise nach Jerusalem'. Da gibt es eine Menge Sessel, aber Faymann hat keinen.“

Aber hat die ÖVP die richtigen Themen im Wahlkampf, etwa die Pensionsautomatik? „Irgendjemand muss ja an die Kinder denken“, meint der Minister. „Und der schrankenlose Populismus der SPÖ ist so vordergründig, dass das selbst einfachere Gemüter bemerken müssen.“

„Leiharbeitsfirma“ für Minister?

Die Kritik des mächtigen schwarzen Landeshauptmannes Erwin Pröll, wonach Molterer sein Regierungsteam umfassender erneuern hätte müssen, weist Hahn zurück. Schon damals sei das Ende der Koalition absehbar gewesen, die Amtsdauer neuer Minister daher denkbar kurz. „Es gibt ja keine Leiharbeitsfirma für Minister.“

Zu Karl-Heinz Grasser, der als Spitzenkandidat der Wiener ÖVP im Landtagswahlkampf 2010 ins Gespräch gebracht wurde, meint Hahn unter Hinweis auf die Meinl-Affäre: Da gäbe es wohl vorher noch einiges zu klären. Und: „Alte Geschichten soll man nicht aufwärmen.“ Grasser selbst wurden vor kurzem noch Ambitionen für eine Rückkehr in die Politik nachgesagt. In einem Interview mit „Österreich“ hat er allerdings vor einigen Tagen dementiert.

Im Gegensatz zu anderen ÖVP-Politikern bringt Hahn die Grünen nicht mit schwarz-grünen Ansagen in Verlegenheit. Außerdem hat er mit der Partei noch ein Hühnchen zu rupfen. Die „Platterwatch“ – initiiert von Peter Pilz und der Wiener Grünen Marie Ringler – sei „praktiziertes Stalking unter dem Deckmantel der parlamentarischen Immunität“ gewesen. Der Ex-Innenminister war auf Schritt und Tritt gefilmt, die Bilder ins Internet gestellt worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2008)

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