Kulturkampf: „Edelmarder“ Brecht als Bürgerschreck

(c) DiePresse (Michaela Bruckberger)
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1951 siegten Salzburgs Politiker über kommunistische Autoren und Schauspieler.

Fast wäre der „Edelmarder in den Salzburger kulturellen Hühnerstall“ eingebrochen (wie es die „Salzburger Nachrichten“ unübertrefflich formulierten). Das war 1951. Und der „Edelmarder“? Dabei handelte es sich um Berthold Brecht, seit 12. April 1950 österreichischer Staatsbürger. Salzburg und seine Festspiele hatten ihre Sensation. Was ist dagegen heuer die Aufregung um Anna Netrebko!

Es war ein Kulturkampf ohnegleichen, der anfangs der Fünfzigerjahre an der Salzach tobte. Die Hauptdarsteller waren ironischerweise der Komponist Gottfried von Einem und Salzburgs missionarischer Landeshauptmann Josef Klaus (V), der es später bis zum Finanzminister, sodann zum österreichischen Bundeskanzler bringen sollte.

Rechter Einem gegen rechten Klaus

Dabei hatte Einem mit Ideologie wenig am Hut. Ja, er stand sogar eher den Bürgerlichen nahe. Seine damalige Ehefrau (und Mutter des gemeinsamen Sohnes Caspar) war eine geborene Fürstin Bismarck. Der Komponist und Weltweise sah damals seine Chance, die Festspiele nicht nur zu dominieren, er sah darin auch eine willkommene Plattform, eigene Werke in Szene setzen zu können. Immerhin war Gottfried von Einem bereits Direktoriums-Mitglied. Und er suchte nach kongenialem Künstlerpersonal.

Der Ruhm Bert Brechts kam ihm gerade recht. Der deutsche Kommunist war von den Nazis ausgebürgert worden, galt mit Ehefrau Helene Weigel als „staatenlos“, hatte sein Exil in der Schweiz und wäre nur allzu gern in Österreich sesshaft geworden. Hier trafen einander die Interessen. Kurt Palm berichtet, dass Berthold Viertel Chef des Landestheaters, Erich Engel Oberspielleiter und Brecht Dramaturg hätten werden sollen. Doch dazu brauchten das Ehepaar Brecht/Weigel erst einmal einen Pass. Ohne großes Aufsehen, wie Brecht anregte.



„Musikalisch-theatralische Festspiele in Salzburg, das heißt: den Urtrieb des bayrisch-österreichischen Stammes gewähren lassen.“

Hugo von Hofmannsthal, 1921

1950 also waren die langsam mahlenden Mühlen der österreichischen Behörden so weit. Erst eineinhalb Jahre später kam es zum Eklat. Denn die Zeitungen bekamen Wind von Brechts heimlicher Einbürgerung. Der kalte Krieg war ausgebrochen, in Wien tagten der KPÖ-Parteitag (im riesigen Konzerthaus) und der „Weltfriedensrat“. Die Einbürgerung eines Kommunisten stellte die Regierung daher vor massiven Erklärungsbedarf. Dringliche Anfragen im Landtag, im Parlament zu Wien; Kanzler Figl schob die Verantwortung ganz auf die Salzburger Landesregierung. Josef Klaus wieder zog sich mit der Erklärung aus der für ihn peinlichen Affäre, dass er den Übeltäter Gottfried von Einem sowieso bereits aus dem Festspiel-Direktorium geworfen habe.

Der Brecht-Boykott

Die österreichischen Bühnen beschlossen auf Betreiben von Hans Weigel und Friedrich Torberg einen generellen Boykott Berthold Brechts, der inzwischen in die DDR gezogen war und dort das „Berliner Ensemble“ gegründet hatte. In der Kulturzeitschrift „Forum“ fragte Torberg: „Soll Brecht in Österreich gespielt werden?“. Und die Theaterzeitschrift „Die Bühne“ brachte Beiträge der Direktoren Franz Stoß und Ernst Haeusserman, warum sie Brecht nicht auf die Bühne brächten. 13 Jahre lang wurde Brecht in Österreich nicht aufgeführt.

Bald nach dem Salzburger Eklat fühlte man sich durch Brechts Verhalten bestätigt: Am 17. Juni 1953 revoltierten die Bauarbeiter in Ostberlin gegen erhöhte Arbeitsnormen, die nachgerade an Sklavenarbeit gemahnten. Das DDR-Regime des Sowjetkommunisten Walter Ulbricht wankte gefährlich. Immerhin war es das erste Aufbegehren in einem Satellitenstaat des Ostblocks. Die Revolte wurde mit „brüderlicher“ Hilfe der sowjetischen Besatzungstruppen rasch, effektiv und blutig niedergeschlagen.

An diesem Schicksalstag verfasste Brecht einen Brief an den Ersten Sekretär der SED, Ulbricht: „Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen in diesem Augenblick meine Verbundenheit mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands auszudrücken.“ Diesen markanten Satz druckte das SED-Parteiorgan „Neues Deutschland“ ab. Die Empörung der drangsalierten Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit war überschäumend. Doch Brechts Zusatz hatte die Zeitung unterschlagen: „Zugleich hoffe ich aber, dass die Arbeiter, die in berechtigter Unzufriedenheit demonstriert haben, nicht mit den Provokateuren auf eine Stufe gestellt werden, damit die so dringliche große Aussprache über die allseitig gemachten Fehler nicht von vornherein unmöglich gemacht wird.“

Obwohl Brecht mit diesem Appell an das DDR-Regime natürlich erfolglos war, blieben er und Helene Weigel bis zum Tode in Ostberlin. Sie waren des Umherziehens durch Europa und Amerika müde.

Im Vergleich zur Brecht-Affäre war die Aufregung über den kommunistischen Schauspieler Karl Paryla ein lindes Sommerlüftchen. Der fand zwar in Wien kein Engagement, aber in Salzburg sollte er 1952 im „Jedermann“ den „Teufel“ verkörpern. Ein Spottgedicht auf die Regierung Figl/Schärf und den Erzbischof Andreas Rohracher (im Juli 1951 in der KP-Zeitschrift „Tagebuch“) machte den Mann in der Salzachstadt unmöglich. Rabiater Kommunist zu sein genügte ihm offenbar nicht, er war zudem unhöflich.

Ein Monat vor Eröffnung der Festspiele 1952 tagte das Kuratorium. Unterrichtsminister Ernst Kolb (ÖVP) sprach ein Machtwort: Paryla ist in erster Linie Kommunist, „und dann erst Künstler“. Es sei unmöglich, dass jemand in einer solch repräsentativen Veranstaltung – subventioniert vom Staat – mitwirken könne, der „seine Hauptaufgabe in der Hetze gegen diesen Staat sieht.“

Ernst Lothar, der Regisseur des „Jedermanns“, wollte demissionieren. Er konnte vom Kuratorium zum Weitermachen überredet werden: Dem Schauspieler würden seine finanziellen Ansprüche natürlich abgegolten. Eine parlamentarische Anfrage der KPÖ an den Unterrichtsminister Kolb wurde wegen des „ungebührlichen Tons“ nicht beantwortet.

So konnten die „Salzburger Nachrichten“ (Faksimile) zufrieden resümieren: „Höchst erfreulich ist an der ganzen Angelegenheit, daß endlich ein österreichischer Minister eine von der Bevölkerung freudig begrüßte antikommunistische Beharrlichkeit an den Tag gelegt hat. Minister Kolb hätte noch manche Gelegenheit, im Wiener „polykonfessionellen“ Kultursumpf aufzuräumen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2007)

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