Sechs Tote, 40 Raketen: Waffenruhe in Gaza wackelt

(c) AP (Hatem Moussa)
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Hamas wollte offenbar weitere israelische Soldaten entführen; vorerst dürfte Abkommen dennoch halten.

Jerusalem. Nach Waffenruhe hört sich das nicht an: 40 Raketen schoss die radikal-islamische Hamas Mittwochfrüh aus dem Gazastreifen nach Israel. Sie richteten aber keinen größeren Schaden an. Der Beschuss war die Antwort auf eine Operation der israelischen Armee, bei der sechs Hamas-Kämpfer getötet wurden.

Soldaten waren in der Nacht auf Mittwoch auf palästinensisches Gebiet vorgedrungen, um einen Tunnel zu zerstören, der eine „unmittelbare und gefährliche Bedrohung durch die Terrororganisation darstellte“, wie ein Armeesprecher mitteilte. Demnach habe die Hamas den 250 Meter langen Tunnel gegraben, um Soldaten zu entführen. Bei den Gefechten handelt es sich um den bisher schlimmsten Verstoß gegen die Mitte Juni vereinbarte Feuerpause.

Trotz der jüngsten Kampfhandlungen will die Hamas-Führung im Gazastreifen vorerst aber prinzipiell an der Waffenruhe festhalten. Ähnliche Töne kamen aus Israel: „Dies war eine gezielte Operation aufgrund unmittelbarer Gefahr“, hieß es in einer Verlautbarung der Armee. Es ginge „nicht darum, die Feuerpause zu stören“. Die Militärs wollten offenbar kein Risiko eingehen. Im Sommer 2006 war der israelische Soldat Gilad Schalit an der Grenze zum Gazastreifen entführt worden.

Preis in die Höhe treiben

Möglich ist, dass die Geiselnehmer durch die Verschleppung weiterer Israelis den Preis in die Höhe treiben wollen. Die Verhandlungen um einen Gefangenenaustausch, bei dem die Hamas 1500 palästinensische Häftlinge gegen Schalit austauschen will, stecken seit Wochen fest. Die Auslieferung des gefangenen Soldaten sollte Teil des Waffenstillstandes sein. Beide Seiten haben ihre Verpflichtungen nur zum Teil erfüllt. Israels Embargo ist heute fast so strikt wie vor dem Abkommen. Weder für Reisende noch für den Warentransport gibt es die zugesagten Erleichterungen an den Grenzübergängen. Die Waffenruhe ist aber beiden Seiten wertvoll genug, um sich vorläufig halbwegs an die Regeln zu halten – und gleichzeitig für kommende Auseinandersetzungen bereit zu machen.

In Israel etwa sind für Februar Neuwahlen geplant. Geht es nach der Regierung in Jerusalem, bleibt es bis dahin ruhig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2008)


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