Gaza: Kein Waffenstillstand trotz "stürmischer" Verhandlungen

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Gaza(c) AP (HATEM MOUSSA)
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Während in Kairo heftig gefeilscht wird, geht der Krieg unvermindert weiter. Bisher hat die Hamas den ägyptischen Waffenstillstandsplan nicht völlig abgelehnt, fordert aber Modifizierungen.

KAIRO. Warten auf Kairo, heißt derzeit die Devise. Denn dort wird ausgelotet, ob die Forderungen der israelischen Regierung und der radikal-islamischen Hamas für einen Waffenstillstand irgendwie zusammengebracht werden können. Jüngster hoher Besuch: UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, der am Mittwoch sein Gewicht hinter die franko-ägyptische Initiative gebracht hat. Der UN-Chef forderte einen sofortigen Waffenstillstand, ein Ende der israelischen Angriffe, den Stopp der Hamas-Raketen auf Israel und die Öffnung aller Grenzen zum Gazastreifen.

Kairo ist seit dem Wochenende der Nabel der Nahostdiplomatie, seit eine Hamas-Delegation dort mit dem Chef des ägyptischen Geheimdienstes, Omar Suleiman, in – wie es heißt – „stürmischen Sitzungen“ ihre Bedingungen für einen Waffenstillstand debattiert. Ägyptische Quellen sprechen von ersten positiven Ergebnissen ohne nähere Details.

Druck auf Hamas steigt

Die Hamas verlangt einen Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen und ein Ende der 18 Monate dauernden Wirtschaftsblockade, verbunden mit einer Öffnung aller Grenzen. Israel verlangt ein Ende der Hamas-Raketen auf israelisches Gebiet und eine bessere Sicherung der ägyptischen Grenze zum Gazastreifen, um der Hamas den Waffennachschub abzuschneiden.

Bisher hat die Hamas den ägyptischen Waffenstillstandsplan nicht völlig abgelehnt, fordert aber Modifizierungen. „Der jetzige Vorschlag ist inakzeptabel“, sagte Moussa Abu Marzouk, der zweite Mann der Hamas im syrischen Exil. Vermittler Suleiman zeigte sich zunächst aber nicht willens, weitere Forderungen der Hamas aufzunehmen. Die Hamas müsse die Initiative akzeptieren, oder sie werde für die Fortsetzung des Krieges verantwortlich gemacht.

Der Schlüssel ist die Grenze

Einer der Knackpunkte ist die Hamas-Forderung, dass sich die israelische Armee zunächst vollständig aus dem Gazastreifen zurückziehen müsse. Interessanterweise hat sich der ägyptische Außenminister Ahmad Abu Gheit bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Ban Ki-moon diese Forderung zu eigen gemacht. Unwahrscheinlich, dass sich Israel auf einen Abzug als Waffenstillstandsbedingung einlässt. Wenn nach dem Rückzug eine einzige Hamas-Rakete gen Israel fliegt, könnten die Islamisten den Sieg feiern. Das ist genau das Dilemma, in dem die israelische Regierung steckt.

Den Schlüssel für Israels diplomatische Bemühungen stellt die Unterbrechung des Waffennachschubs der Hamas dar. Unterhändler Amos Gilad spricht denn auch in Kairo über eine bessere Sicherung der Grenze. Ägypten lehnt aber internationale Beobachter auf seinem Gebiet ab. Die Hamas erklärte im Gegenzug, dass sie solche Beobachter im Gazastreifen als Besatzer ansehen würden.

Bin Laden: „Heiliger Krieg“

Diskutiert wird derzeit dennoch, ob türkische Truppen eine Rolle spielen könnten. Auch die Türkei bemüht sich zu vermitteln und hält direkten Draht zur Hamas. Etwas außerhalb des Rampenlichts hat der türkische Premier Erdo?an seinen Chefberater nach Damaskus geschickt, um dort Kontakt mit dem Hamas-Chef im Exil, Khaled Mashal, aufzunehmen.

Die israelische Luftwaffe fliegt derweil weiter des Nachts Dutzende Angriffe, Panzer schossen Mittwoch erneut auf Wohngebiete, über denen dichter weißer Rauch hing. Einwohner von Gaza-Stadt berichten von schweren Kämpfen in den Außenbezirken.

In einer Internet-Botschaft rief al-Qaida-Chef Osama bin Laden zum „Heiligen Krieg“ auf, um der israelischen Offensive Einhalt zu gebieten. Bin Laden verurteilte arabische Regierungen, die ihre Bürger daran hinderten, „für die Befreiung Palästinas zu kämpfen“.

In Deutschland sorgt eine Umfrage für Aufsehen: Jeder zweite Deutsche hält Israel für ein „aggressives“ Land. Nur ein Drittel empfindet noch eine besondere Verpflichtung der Deutschen gegenüber Israel wegen des Holocaust.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2009)

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