NÖ-Wahl: SPÖ droht Pröll mit Wahlanfechtung

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Seit 2001 gilt in Niederösterreich das Prinzip "Name sticht Partei". Die SPÖ behauptet, dass die ÖVP in ihrer Kampagne falsch über das Wahlrecht informiert und erwägt eine Anfechtung.

ST. PÖLTEN. Vier Tage vor der Landtagswahl sorgt die in Umfragen schwer gebeutelte niederösterreichische SPÖ mit der Drohung einer Wahlanfechtung für Aufregung. „Anders versteht es die ÖVP nicht“, begründet der Landesgeschäftsführer der Sozialdemokraten, Josef Leitner, seine Ankündigung im Gespräch mit der „Presse“. „Mit Gesprächen erreichen wir nichts, uns bleibt nur der Rechtsweg.“

„Name sticht Kreuz“

Der Stein des Anstoßes: Die ÖVP behauptet auf zahlreichen Plakaten, dass die Niederösterreicher ihren Landeshauptmann direkt wählen könnten. In einem Brief an die Wähler erwecke VP-Landeshauptmann Erwin Pröll laut SPÖ darüber hinaus den Eindruck, dass man eine Vorzugsstimme für ihn abgeben und gleichzeitig für eine andere Partei stimmen kann. Für Leitner „bewusste Wählertäuschung“ – er hat am Mittwoch Klage auf Widerruf gegen die ÖVP eingebracht.

Tatsache ist, dass in Niederösterreich ein Name am Stimmzettel die angekreuzte Partei sticht: Macht also jemand sein Kreuz bei der SPÖ, schreibt aber „Pröll“ auf den Wahlzettel – etwa weil ihm der Landeshauptmann sympathisch ist – so geht die Stimme an dessen Partei, die ÖVP. Die SPÖ geht leer aus. Dieses Wahlrecht haben beide Großparteien 2001 beschlossen.

Jetzt will die SPÖ, dass die ÖVP „missverständliche Formulierungen“ in ihrer Wahlwerbung widerruft: Diese suggerierten, dass es möglich sei, seine Stimme zwischen einer Person und einer anderen Partei „aufzuspalten“, sagt Leitner. Wenn die ÖVP ihre Behauptungen nicht widerrufe, will er nach der Wahl zum Verfassungsgerichtshof ziehen und deren Aufhebung beantragen.

VP-Landesgeschäftsführer Gerhard Karner macht jedenfalls keine Anstalten, der Aufforderung seines roten Gegenübers nachzukommen: „Die SPÖ will anscheinend, dass die Wahl von den Gerichten entschieden wird“, geht Karner im Gespräch mit der „Presse“ zum Gegenangriff über. Man habe keine Sorgen wegen einer Anfechtung: „Wer Pröll ankreuzt, weiß, dass er Pröll bekommt“, so Karner.

Experte: Nur geringe Chancen

Der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger von der Universität Wien gibt der angedrohten Wahlanfechtung geringe Chancen. Es sei dem Wähler wohl zuzumuten, dass er wisse, dass er über die Zusammensetzung des Landtags nur indirekt den Landeshauptmann entscheide. Die Verfälschung durch den Slogan „Wir können unseren Landeshauptmann direkt wählen“ sei nur geringfügig und durchschaubar. Sollte der Verfassungsgerichtshof das aber anders beurteilen, müsste die Wahl wiederholen werden.

Hinzu kommt, dass der Verfassungsgerichtshof noch nie über die Rechtmäßigkeit des „Name sticht Kreuz“-Grundsatzes entschieden hat – die unter Juristen durchaus umstritten ist. Würde die SPÖ die Wahl anfechten, könnte sie auch dessen Verfassungswidrigkeit ins Treffen führen, obwohl sie 2001 dafür gestimmt hat, so Öhlinger.

Der Politologe Peter Filzmaier sieht in den Drohungen der SPÖ vor allem den Versuch, die „strategisch unlogische Entscheidung“, diesem Wahlrecht zuzustimmen, zu korrigieren. Das Wahlrecht bevorzuge insbesondere den populären Landeshauptmann: „Niemand hat 2001 verstanden, warum die SPÖ zugestimmt hat“, und das Aufbäumen jetzt resultiere aus der späten Erkenntnis dieses Fehlers, sagt Filzmaier der „Presse“: „Wenn die SPÖ die Wahl anficht, ist das ein Schritt zu amerikanischen Verhältnissen, wo politische Streitigkeiten immer mehr zu rechtlichen werden.“

AUF EINEN BLICK

Seit 2001 gilt in Niederösterreich das Prinzip „Name sticht Partei“.Die SPÖ behauptet, dass die ÖVP in ihrer Kampagne falsch über das Wahlrecht informiert und erwägt eine Anfechtung. [Foto: Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2008)

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