Lintl: „Wer hier arbeiten will, soll zuwandern dürfen“

 Jessi Lintl
Jessi Lintl (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Stronachs Wien-Spitzenkandidatin Jessi Lintl ist gegen Zuwandererquoten und für Basisdemokratie.

Die Presse: Wer viel verdient, ist meist gescheiter als andere, so Frank Stronach. Sind Sie intelligenter als der normale Wiener?

Jessi Lintl: Das würde bedeuten, dass ich mehr verdienen würde.

Als Vize-Bezirksvorsteherin der City verdienen Sie deutlich mehr als der normale, durchschnittliche Wiener.

Das ist eine öffentliche Funktion. Hier sind die Bezüge gesetzlich festgelegt.

Das Team Stronach besteht aus einem zusammengewürfelten Haufen von Ex-BZÖlern, Ex-ÖVPlern, Ex-SPÖlern und einigen Prominenten. Wie sollen die politisch unter einen Hut passen?

Uns eint, dass wir etwas verändern wollen – es gilt, die Missstände, die in Österreich herrschen, anzugehen.

Eine derartige ideologisch Bandbreite muss Ärger bedeuten, oder?

Wir arbeiten auf Basis des Parteiprogramms des Teams Stronach. Wir haben diesen Ehrenkodex unterschrieben. Das eint uns.

Apropos Werte. Sie waren früher bei der ÖVP. Wieso ändert man als Politiker so schnell seine Werte?

Ich habe meine Werte nicht geändert. Ich habe mir sehr genau angesehen, ob ich mit dem Parteiprogramm des Teams Stronach kann. Ich habe immer die Wirtschaft unterstützt, das kann ich weiter machen.

Verstehen Sie, dass Ex-ORF-Chefin Monika Lindner ihre Kandidatur zurückgezogen hat?

Das ist eine sehr persönliche Entscheidung.

Na ja. Sie hat öffentlich erklärt, Klubobmann Robert Lugar habe Sie als Speerspitze gegen das System ORF und Raiffeisen bezeichnet. Als Verräterin sei sie nicht zu haben, weshalb sie nicht kandidiere.

Ich glaube, Lindner hat es gestört, dass sie nicht das erste Statement über ihre Motivation selbst abgeben konnte. Wenn jemand anderer erklärt, wie man eingesetzt werden soll, dann kann einen das massiv stören.

Der prominente Ex-Ö3-Moderator Harry Raithofer ist auf Ihrer Liste. Wird er jetzt die Speerspitze gegen den ORF?

Nein. Wir wollen sachpolitisch seriöse Arbeit machen. Er wird soziale Themen betreuen.

Stronach gilt als autoritär – anscheinend hält es dort keiner lange aus, wie die Turbulenzen in Niederösterreich, Tirol, Lindner etc. zeigen. Wie lange halten Sie es aus?

Ich bin von Anfang an dabei, habe einen klaren Aufgabenbereich als Landesparteiobfrau von Wien und fühle ich mich hier sehr wohl.

Sie waren VP-Wirtschaftsbundobfrau in der City. Jetzt treten Sie als Stronach-Spitzenkandidatin gegen Wiens VP-Spitzenkandidatin Brigitte Jank an, Ihre Ex-Chefin. Was können Sie besser?

Es geht nicht ums Besserkönnen. Dass es sich so ergeben hat, hat nichts mit Brigitte Jank zu tun.

Aber mit der ÖVP. Parteichef Manfred Juraczka meinte zu Ihrem Wechsel: Manche Dinge erledigen sich von selbst. Waren Sie dort so unbeliebt?

Das glaube ich nicht. Juraczka wollte sein Team unterbringen. Dass er andere Vorstellungen hat, ist legitim. Es waren Probleme mit der ÖVP im Bezirk.

Hat Stronach Ihr Wahlprogramm geschrieben?

Das Wiener Wahlprogramm ist basisdemokratisch entstanden.

Basisdemokratisch?

Warum sollte es nicht basisdemokratisch entstehen?

Weil Frank Stronach sagt: Wer das Gold hat, macht die Regeln.

Frank Stronach hat ein großes soziales Anliegen. Ihm ist besonders wichtig, dass niemand von jemand anderem dominiert wird.

Wie sieht Stronachs Basisdemokratie aus?

Wir haben Diskussionsveranstaltungen mit offenen Ohren in den Bezirken gemacht und dort Themen aus der Bevölkerung aufgegriffen. Zu diesen sind dann in Expertenkreisen Lösungsvorschläge ausgearbeitet worden.

Was ist herausgekommen?

Das Wichtigste ist die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Wien. Auch die Bildung muss auf bessere Beine gestellt werden.

Das sagt auch die ÖVP. Wollen Sie Wähler von ihrer Ex-Partei abwerben?

Wenn Sie die Parteien vergleichen, werden Sie sehen, dass alle, mehr oder weniger, dieselben Themen besetzen.

Sie wollen auch mit Integration punkten. Ist für Sie in Wien das Boot voll?

Stronach ist ausgewandert, er versteht das Schicksal der Migranten besser als andere. Wir haben eine offene Haltung gegenüber Migranten. Wir heißen sie willkommen, wenn sie sich hier integrieren und eine Leistung erbringen. Nicht nur Hochqualifizierte sollen zuwandern, sondern all jene, die einen Beitrag zum Arbeitsmarkt leisten. Also jeder, der eine Leistung bringt.

Und wie definieren Sie Leistung?

Als positiven Beitrag zur Gesellschaft.

Also Zuwandererquoten abschaffen?

Quoten sind nie gut, individuelle Möglichkeiten sollen überprüft werden.

Zur Person

Jessi Lintl ist Frank Stronachs Frau in Wien und Wiener Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl im Herbst. Für Stronach hat sie die Wiener Landespartei aufgebaut und ist dort Obfrau. Lintl war früher bei der Wiener ÖVP und wechselte Ende 2012 überraschend zu Stronach. Die Politikwissenschaftlerin ist im ersten Bezirk Stellvertreterin von Bezirkschefin Ursula Stenzel (VP) und leitete dort im Bezirk den VP-Wirtschaftsbund. [Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2013)

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