Werbung auf Türkisch: Der Kampf um die Migrantenstimmen

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Werbung Tuerkisch Kampf Migrantenstimmen(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Zielgruppenwahlkampf: Gleich mehrere Parteien buhlen mit zugeschnittenen Werbemitteln und eigenen Kandidaten um die Gunst der Migranten. Besonders aktiv gibt sich die SPÖ.

Mehrsprachige Werbemittel, Vereins- und Hausbesuche, gezielte Veranstaltungen für die Communities und nicht zuletzt zahlreiche Kandidaten aus den jeweiligen Kulturkreisen – stärker denn je setzen die wahlwerbenden Parteien auf die Stimmen der Migranten. Das könnte sich lohnen, immerhin stellen diese mit rund 534.000 Personen 8,6 Prozent der Wahlberechtigten dar.

Besonders aktiv gibt sich die SPÖ, die mit dem türkischstämmigen Resul Ekrem Gönültas sogar einen eigenen Koordinator für den entsprechenden Zielgruppenwahlkampf vorweisen kann und traditionell die beliebteste Partei unter Migranten ist.

„Derzeit fahre ich fast jeden Tag in ein anderes Bundesland, um den direkten Kontakt zu den Menschen zu suchen und sie für die Wahl am 29. September zu mobilisieren“, sagt der 34-jährige Wiener. „Ich besuche Vereine, Moscheen, Betriebe, Parks und versuche, den potenziellen Wählern unser Parteiprogramm näherzubringen.“

Seine Hauptzielgruppe sind Migranten, besonders jene aus der Türkei, die in ihm eine Identifikationsfigur sehen. Daraus macht Gönültas, der auf Platz 38 der Bundesliste gereiht ist, kein Geheimnis. Besonders hoch sind seine Chancen auf den Einzug in den Nationalrat aber nicht.

Seine bisher im Gemeinderat vertretene Parteikollegin Nurten Yilmaz hingegen dürfte nach den Wahlen mit hoher Wahrscheinlichkeit die erste türkischstämmige Mandatarin für die SPÖ im Parlament sein. Sie kandidiert im Wahlkreis Wien-Nordwest an erster Stelle.

Der erste Moslem im ÖVP-Klub

Erstmals einen Moslem dürfte es nach der Wahl im Klub der ÖVP geben. Asdin El Habbassi, Chef der Jungen ÖVP Salzburg mit Wurzeln in Marokko, hat auf der Bundesliste Platz fünf ergattert, was für gewöhnlich den Weg ins Parlament ebnet. Einen eigenen Migrantenwahlkampf führt die Volkspartei allerdings nicht.

Darauf legt auch El Habbassi Wert. Er will „ein Sprachrohr für jeden sein, der sich mit den christlich-sozialen Werten der ÖVP identifizieren kann“. Rückenwind erhofft sich die ÖVP auch durch Staatssekretär Sebastian Kurz, der in der Integrationspolitik laut Parteizentrale „für einen Paradigmenwechsel gesorgt“ habe.

Kandidaten mit Migrationshintergrund aus der FPÖ und dem BZÖ haben keine Chancen auf ein Mandat im Nationalrat – beide Parteien betonen zudem, keinen auf Zuwanderer zugeschnittenen Wahlkampf führen zu wollen.

Dafür hat bei den Grünen die türkischstämmige Migrationssprecherin Alev Korun praktisch ein Fixticket über die Wiener Liste. Realistische Hoffnungen macht sich die Partei auf zwei weitere Sitze für Kandidaten mit türkischen Wurzeln. Aygül Berivan Aslan in Tirol und Efgani Dönmez in Oberösterreich könnten es über ein starkes Abschneiden der Grünen in ihren Bundesländern schaffen.

„Ein großer Teil meines Wahlkampfs besteht darin, den Wählern mit Migrationshintergrund das Wahlsystem zu erklären und sie von der demokratiepolitischen Wichtigkeit ihrer Stimmabgabe zu überzeugen“, sagt die 31-jährige Aslan, die auf der Landesliste auf Platz zwei gereiht ist.

„Denn viele wissen nicht genau, was beispielsweise der Unterschied zwischen Landtags- und Nationalratswahlen ist und wie sie ihre Vorzugsstimme abgeben können.“ Auch ihr Alltag besteht derzeit hauptsächlich aus Besuchen von türkischen Vereinen. „Für mich ist aber wichtig, dass unsere Werbemittel auf Deutsch verteilt werden“, so die Juristin aus Telfs. „Ich käme mir komisch vor, wenn ich als jemand, der in Österreich geboren wurde, Wahlkampf auf Türkisch führen würde. Zudem wäre das auch nicht das richtige Signal an junge Migranten.“

Lediglich die von der Bundespartei ausgestellten Werbebroschüren, auf denen sie und Korun zu sehen sind, wurden mehrsprachig gedruckt. Andere Info-Folder der Grünen liegen sogar in fünf Sprachen auf.

Auch das Team Stronach hat zwar beispielsweise eine Broschüre in Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, setzt aber vor allem auf das persönliche Gespräch, wie Darinka Hrnjez, die ihre Wurzeln im ehemaligen Jugoslawien hat und auf dem zehnten Platz der Bundesliste kandidiert, betont. Dazu besuche man etwa entsprechende Veranstaltungen. Allzu gute Aussichten auf ein Mandat über die Liste Stronach hat kein Kandidat mit Migrationshintergrund.

Mediale Präsenz führt zu Normalisierung

„Dass es den Parteien gelingen wird, mit ihren Kampagnen diese Wählergruppe stärker anzusprechen als bei vergangenen Wahlen, darf vermutet werden. In welchem Ausmaß das geschehen wird, ist aber schwer abzuschätzen, weil es in Österreich zum Wahlverhalten von Migranten kaum fundierte Studien gibt“, meint der Wiener Integrationsexperte und Soziologe Kenan Güngör. „Fest steht aber, dass die mediale Präsenz der Kandidaten mit Migrationshintergrund zu einem Normalitätsverständnis in der Bevölkerung beitragen dürfte.“

Sei es bis vor einigen Jahren noch absonderlich gewesen, solche Kandidaten aufzustellen, werde es bei künftigen Wahlen eine Absonderlichkeit sein, dies nicht zu tun.

Auf einen Blick

534.000 potenzielle Wähler haben nach Angaben der Statistik Austria Wurzeln außerhalb Österreichs. Das sind 8,6 Prozent aller Wahlberechtigten. Wohl noch größer wäre das Interesse am Wähler mit nichtösterreichischer Herkunft, dann könnten auch jene wählen, die in Österreich leben, aber keine Staatsbürgerschaft haben. Das sind nämlich 835.000 Personen. Einer aktuellen Studie der GFK Austria zufolge legen türkischstämmige Menschen besonderen Wert auf die „Alltagstauglichkeit“ einer Partei – also darauf, wie sie von einer Partei unterstützt werden – beispielsweise bei der Wohnungs- und Arbeitssuche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2013)

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