Rot-Schwarz hält Mehrheit, Neos kommen ins Parlament

RotSchwarz haelt Mehrheit Neos
RotSchwarz haelt Mehrheit Neos
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Die SPÖ verteidigt bei der Nationalratswahl Platz eins, fällt aber ebenso wie die ÖVP auf einen historischen Tiefststand. Die FPÖ gewinnt deutlich dazu, die Grünen leicht. Stronach und Neos schaffen den Einzug, das BZÖ scheitert.

Österreich steuert wohl auf die 18. Auflage der Großen Koalition zu. SPÖ und ÖVP sind bei der Nationalratswahl auf historische Tiefststände abgestürzt, haben ihre gemeinsame Mehrheit aber verteidigt. Die Sozialdemokraten kommen laut vorläufigem Endergebnis auf 27,1 Prozent und halten die Volkspartei (23,8 Prozent) deutlich auf Abstand. Zusammen haben die beiden einstigen Großparteien damit 99 der für eine Mehrheit erforderlichen 92 Mandate im Nationalrat.

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Die FPÖ rückt mit 21,4 Prozent nahe an die ÖVP heran. Die Grünen gewinnen leicht dazu, sie landen bei 11,5 Prozent. Das Team Stronach schafft mit 5,8 Prozent den Einzug in den Nationalrat, schneidet aber schlechter ab als prognostiziert. Die Überraschung des Abends liefern die Neos, die das BZÖ im Nationalrat ablösen.

SPÖ: "Respektables Ergebnis"

Die SPÖ bezeichnete ihr Ergebnis als "respektabel". Das Wahlziel von über 30 Prozent hat sie klar verfehlt und das schlechteste Ergebnis bei Nationalratswahlen in der Zweiten Republik eingefahren. Mit dem Wahlkampf-Schwerpunkt soziale Gerechtigkeit und soliden TV-Auftritten von Bundeskanzler Werner Faymann konnte sie aber wenigstens Platz eins klar verteidigen.

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Grafik Wahlverhalten

Herausforderer Michael Spindelegger ist seinem Traum, Nummer eins im Land zu werden, nicht einmal nahe gekommen. Die ÖVP ging zwar mit Rückenwind in die Wahl, leistete sich in den vergangenen Wochen aber zu viele Schnitzer - von parteiinternen Dissonanzen bis zu unauthentisch-aufgedrehten Auftritten Spindeleggers. Geschadet hat der Volkspartei auch die neue Konkurrenz in der politischen Mitte, allen voran die Neos.

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FPÖ: "Sieger des Wahlabends"

Die FPÖ rief sich bereits kurz nach Veröffentlichung der ersten Hochrechnung zum Sieger des Abends aus. Parteichef Heinz-Christian Strache hat sein Wahlziel von mindestens 20 Prozent erreicht, in der Steiermark landeten die Freiheitlichen sogar auf Platz eins. Zum  erhofften "blauen Wunder", nämlich Platz zwei, fehlen aber doch noch über zwei Prozentpunkte. Geholfen dürfte den Freiheitlichen unter anderem haben, dass Frank Stronach nicht so viele Wähler aus dem Protestwähler-Teich fischte wie noch zu Beginn des Wahlkampfs erwartet worden war.

Grünen-Chefin Eva Glawischnig hat sich "mehr erhofft", wie sie in einer ersten Reaktion eingestand. Die Partei erreichte zwar das beste Ergebnis in der Geschichte der Bundespartei, gewann gegenüber 2008 aber nur ganz leicht dazu und liegt weit unter den Werten, die die Umfragen vorausgesagt hatten. Der ganz auf das Thema Korruptionsbekämpfung ausgerichtete Wahlkampf wurde offenbar nicht ganz so goutiert wie erhofft - als Wahlziel hatte Glawischnig 15 Prozent ausgegeben.

>> Bilder: Die Wahlpartys der Parteien

Stronach schneidet schlechter ab als erwartet

Grafik Wählerstrom
Grafik Wählerstrom(c) APA

Auch Frank Stronach hätte sich "etwas anderes" erwartet. Die 20 bis 25 Millionen, die der Milliardär nach eigenen Angaben in den Wahlkampf gepulvert hat, waren zwar nicht umsonst: Seine ein Jahr junge Partei schaffte auf Anhieb den Einzug in den Nationalrat, wo es bisher ja nur dank der Überläufer aus dem BZÖ vertreten war. Das Team Stronach liegt aber weit von den noch im Frühjahr vorhergesagten zehn Prozent entfernt. Das hat sich der Austrokanadier nach TV-Auftritten, in denen er Fragen ignorierte, Moderatoren angriff und sich selbst als größten "Diener" Österreichs pries, wohl selbst zuzuschreiben.

Für das BZÖ war es ein schwarzer Sonntag: Von 10,7 Prozent bei der vergangenen Wahl rutschte die Partei von Josef Bucher unter die Vier-Prozent-Hürde. Bucher schlug sich im Wahlkampf zwar wacker. Das Überlaufen von orangen Mandataren zu Stronach, parteiinterne Unstimmigkeiten und diverse Parteienfinanzierungs-Skandale konnte er damit aber offenbar nicht wettmachen.

Die Neos dagegen haben geschafft, woran zu Beginn des Wahlkampf kaum einer geglaubt hat. "Unsere Bekanntheit ist im September explodiert", sagte Spitzenkandidat Matthias Strolz bereits vor der Wahl. Das dürfte nicht zuletzt an Unternehmer und Financier Hans-Peter Haselsteiner liegen, der sich in der Schlussphase des Wahlkampfs auch noch als "Ministerkandidat" in die Schlacht warf.

SPÖ und ÖVP sprachen Ältere an

Das Ergebnis der Wahl zeigt, dass die politische Landschaft in Österreich zunehmend zersplittert. "Volksparteien", die für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßend attraktiv sind, sind Geschichte.

Eine Wahltagsbefragung des Sora-Instituts für den ORF ergab, dass SPÖ und ÖVP eher bei Frauen und Älteren punkten konnten. Bei jungen Männern kam die FPÖ auf 32 Prozent. Die Grünen schnitten besonders stark bei jungen Frauen und Akademikern ab.

Die Spitzenkandidaten am Wahlabend
Die Spitzenkandidaten am Wahlabend(c) REUTERS (DOMINIC EBENBICHLER)

(c) APA

Faymann: "Stabile Regierung ohne FPÖ"

Eine Neuauflage der Großen Koalition ist nun die mit Abstand wahrscheinlichste Variante. Rot-Blau würde sich zwar rechnerisch ausgehen, die SPÖ schließt eine Zusammenarbeit mit der FPÖ aber aus. Und dass sie wenig Lust verspüren, noch eine dritte Partei ins Boot zu holen, haben Faymann und Spindelegger bereits vor der Wahl klargestellt.

Faymann erklärte am Wahlabend, er werde "eine stabile Regierung ohne die FPÖ" bilden. Sein engster Vertrauter, Staatssekretär Josef Ostermayer, geht von einer Fortsetzung von Rot-Schwarz aus.

Teile der ÖVP gegen Rot-Schwarz

Möglich wäre freilich auch, dass sich Spindelegger mit Hilfe von FPÖ und Team Stronach zum Kanzler krönen läßt - wahrscheinlich ist das aber nicht. Der mächtige niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll bekräfigte am Sonntag seine Präferenz für die Große Koalition, auch wenn er sich darin einen "neuen Stil" wünscht. Kritisch gegenüber einer Fortsetzung der Zusammenarbeit mit der SPÖ zeigten sich hingegen die schwarzen Landeshauptleute Markus Wallner (Vorarlberg) und Wilfried Haslauer (Salzburg). Der Parteichef selbst betonte, es sei jetzt an Faymann, eine Regierung zu bilden. Auf die Frage, ob er sich bei dessen Scheitern Schwarz-Blau-Stronach vorstellen könnte, antwortete Spindelegger: "Alles ist möglich".

In der Bevölkerung hält sich die Begeisterung für die Große Koalition zwar in Grenzen, sie wird aber offenbar noch als das kleinste Übel angesehen. Das zeigte auch schon in einer Befragung vor der Wahl, in der sich 33 Prozent für eine Fortsetzung von Rot-Schwarz aussprachen - andere Varianten folgten abgeschlagen dahinter.

Wahlbeteiligung weiter gesunken

Geringfügig ändern könnte sich die Stimmverteilung übrigens noch durch die Briefwahlstimmen und die wahlkreisfremden Wahlkarten, die erst am Montag bzw. Donnerstag ausgezählt werden. Eine Sora-Prognose für den ORF sagte voraus, dass SPÖ und FPÖ dadurch leicht verlieren, ÖVP und Grüne dazugewinnen könnten.

Die Wahlbeteiligung ist mit rund 74 Prozent übrigens auf den tiefsten Stand der Zweiten Republik gefallen. Wie Umfragen zeigen, sind die Österreicher mit Parteien und Politikern insgesamt unzufrieden. Und nur 53 Prozent glaubten vor der Wahl, dass sich durch den Urnengang etwas im Land ändern würde. Nicht überraschend also, dass viele Wahlberechtigte am Sonntag zuhause blieben.


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