Gesundheitsreform: Das Wichtigste fehlt

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Der Bund, die Länder und die Sozialversicherung haben sich auf etwaige Einsparungsziele und eine gemeinsame Planung geeinigt. Wie das in der Praxis funktionieren soll, ist jedoch weiterhin noch offen.

Wien. Wie viel soll im Gesundheitswesen gespart werden? Und vor allem: wie? Die erste Frage zumindest haben Bund, Länder und Sozialversicherungen diese Woche beantwortet: Bis 2016 müssen die Gesundheitsausgaben um 3,5 Mrd. Euro gekürzt werden. 2,1 Mrd. entfallen auf die Länder, der Rest auf die Sozialversicherungen.

Die zweite Frage wurde grundsätzlich geklärt: Der niedergelassene Bereich, also die Arztpraxen, und die Spitäler werden künftig gemeinsam geplant – über Gesundheitsplattformen in den Ländern, die mit Landes- und Kassenvertretern beschickt werden. Der Effekt: Die Patienten werden nicht mehr länger zwischen Spitälern, Ambulanzen und Praxen herumgeschoben.

Doch die Details der neuen Organisation sind offen – vor allem in der Frage, wie die Finanzströme verlaufen sollen. Die Länder, die als Spitalsverwalter bisher freie Hand bei der Planung hatten, beharren auf ihren Kompetenzen. Die Landeshauptleute fordern einen Finanzierungstopf in jedem Land, der mehrheitlich von Bund und Sozialversicherungen gespeist, aber von den Ländern verwaltet wird. Der Bund darf – immerhin – einen Rahmenplan erstellen, die Qualitätskriterien festlegen und die Ärzteausbildung regeln. Stöger und der Hauptverband der Sozialversicherungsträger wollen aber mehr Mitsprache bei den Krankenhäusern: Die Bundesmittel sollen erst fließen, wenn die Länder gewisse Ziele erreicht haben. Denn die Spitalskosten sind bisher stärker gestiegen als das BIP: 23,5 Mrd. Euro wandte die öffentliche Hand im Jahr 2009 für das Gesundheitswesen auf. Die Spitäler verschlangen fast die Hälfte, nämlich 10,6 Mrd. Euro. 2004 waren es noch acht Mrd. gewesen.

„Alle werden Terror machen“

Für Michel Haas, Consultant im Gesundheitswesen, ist das finanzielle Ziel der Reform daher zu bescheiden angesetzt: „Zum Vergleich: Dänemark kostet ein gutes bis besseres Gesundheitswesen um ein Prozent weniger des BIPs. Das wären in Österreich zirka zwei Mrd. Euro – pro Jahr.“ Und solange keine konkreten Konsequenzen – sprich: kein Geld bei Verfehlung der Sparziele – feststünden, sei die Reform ohnehin nur „eine Ankündigungsgeschichte“.

Strukturell sinnvolle Einsparungen, sagt Haas, könne es nur geben, wenn effektiv Geld vom Spitalsbereich in den niedergelassenen Bereich verlagert werde: „Dazu muss es für die Sozialversicherung attraktiv sein, dass es zu weniger stationären Einweisungen kommt.“ Erreichen könnte man das, indem der Betrag, den die Kassen für die Spitalsfinanzierung zahlen (aktuell eine Pauschale von 4,2 Mrd. Euro pro Jahr), zwar nach oben gedeckelt wäre, aber durch weniger Krankenhausaufnahmen sinkt. „Die Kassen würden dann prüfen, ob die Ärzte zu häufig in die Spitäler einweisen.“ Mindestens zehn Prozent der Einweisungen seien unnötig.

Eine Gefahr sieht Haas darin, dass bei den Spitälern „mit dem Rasenmäher“ gekürzt werde: „Spitäler, die schon bisher gespart haben, würden so bestraft.“ Gerechter sei es, sich bei den Budgets von vornherein an Best-Practice-Spitälern zu orientieren. Jene Krankenhäuser, die pro LKF-Punkt (leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung) mehr kosten als vergleichbare, müssten beweisen, warum sie mehr Geld brauchen. Insgesamt, glaubt Haas, werden die Patienten die Reform negativ merken: „Um zu zeigen, dass sie Geld brauchen, werden alle Terror machen: Spitäler, Ärztekammer, Gewerkschaften. Es ist falsch, dass nötige Einsparungen Patienten und Mitarbeiter statt Strukturen und Prozesse betreffen.“ Skeptisch äußerte sich auch Ärztekammer-Präsident Walter Dorner: Mit einem „hypothetischen Finanzziel“ von 3,5 Mrd. Euro sei „noch keine Reform gemacht“. Ein „akkordiertes Vorgehen“ im Gesundheitswesen hält er zwar für gut. Der „unverbindlichen Reformrhetorik“ müssten konkrete Taten folgen.

„Durchbruch“ noch heuer?

Die Steuerungsgruppe für die Gesundheitsreform, die sich aus je zwei Vertretern von Bund, Ländern und Sozialversicherungen zusammensetzt, wird „Presse“-Informationen zufolge wieder in vier bis sechs Wochen zusammentreten. Einen „Durchbruch“ hält der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP), Mitglied der Gruppe, noch heuer für möglich.

Die Rechnung der Länder stellt sich im Sparpaket übrigens so dar: 5,2 Mrd. Euro müssen sie bis 2016 einsparen. Die Hälfte erreichen sie über ihren Anteil an den neuen Steuern. 2,1 von den verbleibenden 2,6 Mrd. Euro sollen über die Gesundheitsreform geholt werden. Bleibt ein Rest-Sparbeitrag von 500 Mio. Euro. Das sind im Schnitt 55,5 Mio. Euro pro Bundesland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2012)


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