Gusenbauers Kabinettchef, „ein Mann der wirkungsvollen Töne“

Die Presse (Fabry)
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Johannes Schnizer lebt mit Begeisterung für juristische Spitzfindigkeiten, die der Politik einen neuen Drall geben.

WIEN. Für Johannes Schnizer war das Bundeskanzleramt kein Sandkistentraum. Dennoch sitzt er nun im Arbeitszimmer von Bruno Kreisky – jetzt ein Besprechungsraum – und ist stolz darauf, dass man die alten Möbel des legendären roten Kanzlers auf dem Dachboden wieder entdeckt hat. „Nur das berühmte Knöpferltelefon ist leider verschollen“, erzählt der Kabinettchef von Alfred Gusenbauer.

Dass Schnizer einmal der wichtigste Mitarbeiter eines SPÖ-Kanzlers wird, ist ihm wahrlich nicht in die Wiege gelegt. Vater Helmut Schnizer ist ein bekannter Grazer Kirchenrechtler und der Sohn in jungen Jahren in katholischen Kreisen verwurzelt. Die Nähe zur Sozialdemokratie findet er nur peu a peu. Drei Dinge prägen ihn dabei: natürlich Kreisky, interessanterweise Hainburg und wenig überraschend Jörg Haider. Seine christliche Wertehaltung fand er bei Kreisky, sagt er, eher verwirklicht als bei Konservativen. So begeistert der junge Schnizer vom roten Paradevorbild ist, so enttäuscht ist er von den Gewerkschaften und ihrer Rolle in der Au. Warum ist er dann kein Grüner geworden? „Ich habe viele gute Freunde dort“, gesteht Schnizer. „Ich war allerdings davon überzeugt, dass es gegen den Populismus des Jörg Haider richtiger ist, die SPÖ zu unterstützen.“ Freunde überzeugen ihn schließlich, dass es nicht reicht, in juristischen Zirkeln das große Wort zu führen oder zum Lichtermeer zu gehen. Taten zählen.

Schnizer setzt das um – mit aller Konsequenz. Gewappnet mit zehn Jahren Erfahrung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof stellt sich der gewiefte Jurist 1992 in den Dienst des SPÖ-Parlamentsklubs. Alle Verfassungsbeschwerden gegen die schwarz-blauen Gesetze der letzten Jahre gehen auf sein Konto, von den Unfallrenten bis zur Zivildienerlösung. Darauf ist Schnizer auch sehr stolz. „Der Höhepunkt“, erzählt der 47-Jährige, „war die Aufhebung der Pensionsreform und der Ambulanzgebühren kurz vor der Wiener Wahl.“

Als ihn im Jänner dieses Jahres Alfred Gusenbauers Ruf ins Kanzleramt ereilt, kann und will Schnizer nicht lange nachdenken. Mit zehn Referenten und 17 anderen Mitarbeitern sorgt der Verfassungsjurist seither dafür, dass Gusenbauers Kabinett reibungslos funktioniert. Schnizer hat die Arbeit des Kanzleramtes nach innen zu koordinieren, den wöchentlichen Ministerrat in Abstimmung mit der ÖVP vorzubereiten – „was klaglos funktioniert“, so Schnizer – und die Positionen und Strategien der sozialdemokratischen Regierungsmannschaft zu erarbeiten.

Und wie funktioniert das Zusammenspiel mit dem Kanzler? „Äußerst eng, vertrauensvoll und präzise. Er mag kein langes Herumgerede, will schnelle und effiziente Arbeit und lässt mir oft freie Hand“, erzählt Schnizer. Der Kanzler weiß das zu schätzen. „Er ist ein Mann der leisen, aber wirkungsvollen Töne“, sagt Gusenbauer. Lob, das übrigens auch von der politischen Konkurrenz zu hören ist.

Dass man zuweilen von acht Uhr früh bis ein, zwei Uhr in der Nacht im Einsatz ist, das gehört zum Job. Was man davon hat? „Das Spannende ist die Gestaltungsmöglichkeit. Man kann der Politik eine andere Richtung geben“, sagt der Kabinettchef.

Freie Zeit bleibt ihm und seiner Lebensgefährtin, der SPÖ-Nationalratsabgeordneten Andrea Kuntzl, allerdings selten, höchstens am Wochenende. Dann treibt Schnizer Sport, nach einer Verletzung nicht mehr soviel wie früher. Und er liest viel – Historisches, Naturwissenschaftliches.

Und wenn es ihn freut, dann schreibt er sich seine juristische Lektüre wieder einmal selbst. Zum Spaß geht es aber nicht um die normale Alltagsjuristerei, sondern zum Beispiel um Sprachphilosophie in der Rechtstheorie. Eines von Schnizers Werken trägt den Titel: „Ein Stück Papier und was uns daran zu denken gibt.“ Worum es dabei geht? „Es erklärt, wie Normen entstehen und als verbindlich erkannt werden“, so Schnizer. Mehr will und kann der Laie wohl nicht wissen.

Und was sieht Schnizer als Geheimnis seiner Arbeit an? „Das Kabinett darf nicht aus Einzelkämpfern bestehen, es muss ein Team sein.“ Und es muss einen wie ihn geben. Ex-Kanzler Klima hat geglaubt, es geht auch ohne Kabinettchef. Es ist ihm offenbar nicht gut bekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2007)


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