Bemühte Freude über John McCain

(c) Reuters (Rick Wilking)
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Der Republikaner McCain muss hoffen, dass die Wähler nicht aufgrund seiner Nominierungsrede entscheiden.

St. Paul.Falls John McCain am 4. November zum 44. Präsidenten der USA gewählt wird, dann zweifellos nicht wegen seiner rhetorischen Fähigkeiten. So wenig Begeisterung, wie bei seiner Nominierungsrede in der Nacht auf Freitag, sah man beim demokratischen Parteitag in St. Paul (Minnesota) die ganze Woche nicht.

48 Minuten lang bemühten sich die Delegierten in der Halle redlich, Enthusiasmus für eine zwar hervorragend geschriebene, aber schlecht vorgetragene Rede aufzubringen. Vergleicht man die Stimmung in der Nacht auf Freitag mit der am Vortag, als Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin sprach, konnte man meinen, einmal auf einer Party und einmal auf einem Begräbnis zu sein.

Es sind andere Qualitäten, die McCain auszeichnen: Seine außenpolitische Erfahrung; seine Überzeugungen, zu denen er gegen alle Umfragen steht; seine Bereitschaft, mit der anderen Partei zusammenzuarbeiten; sein Bemühen, Schlechtes zu verbessern.

Ruf nach Wechsel

All das bestärkte er im zweiten, weitaus kräftigeren Teil seiner Rede. Im ersten versuchte er sich als Erneuerer zu etablieren, der Washington verändern wird. Das ist einmal schwer zu glauben bei jemandem, der seit 26 Jahren Teil dieser, wie McCain pauschal urteilte, „Geldverschwender, Nichtstuer und Egoisten in Washington“ ist. Andererseits ist „Change“ das erfolgreiche Motto von Barack Obamas Kampagne: Der Republikaner hörte sich in den ersten 20 Minuten seines Auftritts wie eine schlechte Obama-Kopie an.

Mit Attacken auf seinen Gegner hielt sich McCain auffallend zurück. Einmal gab es einen Seitenhieb: „Ich habe die Erfahrung und die Narben“, meinte McCain in Anspielung auf seinen Vietnam-Einsatz. „Senator Obama nicht.“

Das Hauptargument gegen den Demokraten, dass er nämlich nicht genug Erfahrung hat, um Präsident sein zu können, haben sich die Republikaner mit der Auswahl der Jungzeit-Gouverneurin Palin zerstört. Auch wenn Ehefrau Cindy McCain als Argument für Palins außenpolitische Erfahrung vorbrachte, dass sie Gouverneurin „jenes US-Bundesstaates ist, der Russland am nächsten ist“.

Die Distanzierung vom unbeliebten Präsidenten George Bush erfolgte zwischen den Zeilen. Als McCain etwa kritisierte, man müsse „fast alles ändern, was die Regierung tut“.

Mit diesem Teil wollte er die Unabhängigen und die Bush-Enttäuschten ansprechen. Überzeugender wirkte er, als er von seiner fünfeinhalbjährigen Kriegsgefangenschaft in Vietnam erzählte, was er sonst so gut wie nie macht. Das war ein emotionaler Moment, der eine fast gespenstische Stille in den mit 20.000 Menschen gefüllten Saal brachte.

„Hatte Glück, Pech zu haben“

„Ich hatte das Glück, Pech zu haben“, meinte er über seine Gefangenschaft, die ihn zu einem anderen Menschen gemacht habe: „Ich habe mich in mein Land verliebt. In seine Anständigkeit, seinen Glauben an die Klugheit, Gerechtigkeit und das Gute seiner Bewohner.“ Er habe nicht mehr sich gehört, „sondern meinem Land“. So schmalzig sich das liest, so etwas hören die Amerikaner gerne. Und auch den Aufruf am Ende, für ein „schönes, gesegnetes Amerika“ zu kämpfen; für die Ideale des Landes, die Zukunft der Kinder, für Gerechtigkeit, für Gleichheit.

Selbst dieser Aufruf am Schluss der Rede wurde mit endenwollendem Applaus bedacht. Für mehr Stimmung hatten Antikriegsdemonstranten gesorgt, die am Anfang mit Zwischenrufen den Auftritt McCains störten. Die Delegierten konterten mit lauten „USA, USA“-Rufen. Das ist es auch, was die Partei am Ende hinter McCain einen wird: die Gegner.

Die Delegierten machten nach dem Auftritt ihres Präsidentschaftskandidaten gute Miene: „Er ist vielleicht nicht der beste Redner, aber er hat ein Programm und ein ehrliches Anliegen“, sagte Rick Manter. Peggy Lambert aus Tennessee lobte „den konservativen Ton“, fügte jedoch hinzu: „Aber diese Sarah Palin! John wird Schwierigkeiten haben, mit ihr mitzuhalten.“

Ein anderer Delegierter, der die Konversation hörte, warf fast beruhigend ein: „Wegen einer Nominierungsrede ist noch niemand zum Präsidenten gewählt worden.“

ZUR PERSON

Der Senator aus Arizona wurde am 29. August 1936 geboren. Im Vietnam-Krieg schossen Vietcongs sein Flugzeug ab, er verbrachte fünf Jahre in Gefangenschaft. 1982 wurde er in das Repräsentantenhaus, 1986 in den Senat gewählt. McCain ist zum zweiten Mal verheiratet und hat sieben Kinder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2008)

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