Wäre Obama in Österreich denkbar?

schwarzer Fischer
schwarzer Fischer(c) APA / Montage: Die Presse
  • Drucken

Wer in Europa nach oben will, gehört besser nicht einer Minderheit an. Die politische Vertretung ethnischer Minderheiten steckt erst in den Kinderschuhen.

Die Begeisterung für Barack Obama kennt keine Grenzen. Bis zu drei Viertel der Europäer hätten ihn diversen Umfragen zufolge zum US-Präsidenten gewählt, dementsprechend groß ist die Freude über den Sieg des Charismatikers auch auf dem Alten Kontinent. Doch Europa jubelt Obama aus sicherer Entfernung zu. „Schon allein wegen seiner Hautfarbe hätte er in keinem europäischen Land eine Chance“, meinte der konservative US-Politologe Robert Kagan schon vor der Wahl spitz im „Spiegel“. Stimmt das? Könnten Menschen, die anders aussehen als die Mehrheitsbevölkerung und noch dazu einen seltsamen Namen haben, jemals Staats- oder Regierungschefs in Finnland, Spanien oder Österreich werden?

Der Vergleich mit Obama hinkt natürlich. Er gehört einer Minderheit an, die ungleich länger in den USA lebt als etwa Türken in Österreich. Und eigentlich gehört er nicht einmal dieser Minderheit richtig an: mit einer weißen Mutter und einem Vater aus Kenia. Es wäre absurd, von Österreichern oder Deutschen 40 Jahre nach Ankunft der ersten Gastarbeiter etwas zu verlangen, was den Amerikanern erst 143 Jahre nach Abschaffung der Sklaverei gelungen ist.

Kurzer Bildungsweg für Türken

Und trotzdem erinnert die Wahl Obamas daran, um wie viel durchlässiger die amerikanische Gesellschaft ist. Beispiele gibt es zuhauf. Zalmay Khalilzad, ein Afghane, ergatterte als Schüler ein Stipendium für Amerika, heute ist er Botschafter der USA bei der UNO. Arnold Schwarzenegger, Bodybuilder aus Thal bei Graz, brachte es erst zum Hollywoodstar, dann zum Gouverneur Kaliforniens.

„Die Aufwärtsmobilität in den USA ist ungleich größer“, sagt Barbara Herzog-Punzenberger, Integrationsforscherin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Für Einwanderer aus Lateinamerika, Asien und Europa seien die Aufstiegsbarrieren niedriger als auf dem Alten Kontinent. Das gelte mit Abstrichen auch für schwarze Immigranten, die in den USA interessanterweise leichter nach oben kämen als ansässige Afroamerikaner.

In Österreich und auch im Rest Europas schaffen Minderheiten den Aufstieg nicht so schnell. Das gilt besonders für Türken, die sich der Integration zum Teil aus kulturellen Gründen verweigern. Viele von ihnen stecken in der Unterschicht fest, weil ihr Bildungsweg immer noch kurz ist. Nur vier Prozent der türkischen Einwandererkinder erreichen in Österreich einen Maturaabschluss.

Es ist eine Minderheit, die auf den Straßen und in den Parks sichtbar ist, nicht jedoch im öffentlichen politischen Raum. Die Vorbilder, die Rollenmodelle fehlen. Frankreich hat neuerdings eine Justizministerin mit arabischen Wurzeln, Schweden eine Integrationsministerin aus dem Kongo. In Großbritannien moderieren seit Jahrzehnten Schwarze, Inder oder Pakistanis TV-Sendungen. Im ORF gibt es außer Dodo Ro??i? und Arabella Kiesbauer nur „Heimat, fremde Heimat“.

Nur eine Vertreterin im Parlament

An einen türkischen Bundeskanzler muss man in Österreich noch lange nicht denken, auch wenn Amtsinhaber Gusenbauer das nach Obamas Wahlsieg „nicht ausgeschlossen“ hat. Die politische Vertretung ethnischer Minderheiten steckt erst in den Kinderschuhen. Geschätzte 250.000 Menschen mit türkischen Wurzeln leben in Österreich. Nur eine davon sitzt im Nationalrat: Alev Korun von den Grünen.

In Deutschland ist es auch nicht viel anders: Elf Abgeordnete des dortigen Bundestags sind nicht in Deutschland geboren. Aber immerhin erklomm Cem Özdemir die Parteispitze der Grünen. Zudem stießen deutsche Türken, anders als österreichische, in glitzernde Gesellschaftsbereiche vor, als Regisseure, Filmstars und Schriftsteller.

Ein Obama aber ist nicht darunter, in ganz Europa nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.