Wien: Neues Wahlrecht ohne die FPÖ

Sitzung des Wiener Gemeinderates
Sitzung des Wiener Gemeinderates(c) APA (Georg Hochmuth)
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Die FPÖ hat im Gemeinderat nun eine Sperrminorität. Trotzdem kann sie ein von Rot-Grün beschlossenes Wahlrecht nicht blockieren, falls ihr die Reform nicht weit genug geht.

Wien. Mit dem Beginn der rot-grünen Koalitionsverhandlungen am Dienstag rückt nun eine der größten Hürden ins Zentrum: Die Rede ist von einem neuen Wahlrecht für Wien, an dem Rot-Grün im März fast zerbrochen wäre.

Nun hat sich aber herausgestellt: Das Projekt sollte für die rot-grünen Verhandler ein weit geringeres Problem sein als angenommen. Denn entgegen ursprünglichen Annahmen kann die FPÖ, die am 11. Oktober eine Sperrminorität für Änderungen an der Stadtverfassung erreicht hat, ein rot-grünes Wahlrecht doch nicht blockieren – falls sie damit nicht einverstanden ist. Denn das Wiener Wahlrecht ist laut FPÖ-Verfassungssprecher Dietbert Kowarik zwar ein materielles Verfassungsrecht, allerdings nicht der Form nach. Das bedeutet: Das Wahlrecht kann in Teilen mit einfacher Mehrheit geändert werden. Darunter fällt jener stark mehrheitsfördernde Faktor, von dem große Parteien wie die SPÖ (und nun auch die FPÖ) bei Wahlen überproportional profitieren. Wobei beim Wahlrecht (trotz der erfolgten Eskalation im März) SPÖ und Grüne nicht weit voneinander entfernt sind.

FPÖ bleibt nur ein Druckmittel

Eigentlich hatte es bereits im Februar eine Einigung gegeben. Konkret hätte der stark mehrheitsfördernde Faktor halbiert werden sollen. Allerdings gingen die Grünen damals ohne Rücksprache mit dem Koalitionspartner an die Öffentlichkeit, der sich brüskiert fühlte und die Einigung platzen ließ. Da eine Einigung damals nur an Abstimmungsproblemen (und nicht am Inhalt) gescheitert war, dürfte einer rot-grünen Einigung, auf Basis der Februar-Vereinbarung, nicht viel im Wege stehen.

Rot und Grün können zwar ein Wahlrecht verhandeln, ohne sich mit der FPÖ abstimmen zu müssen. Allerdings kann die FPÖ künftig bei sogenannten 15a-Vereinbarungen („Staatsverträgen“ zwischen Bund und Ländern) mitreden, weil diese bedeutenden Vereinbarungen (z. B. über Pflege, Spitäler, Kinderbetreuung etc.) für den Beschluss eine Zweidrittelmehrheit benötigen – womit die FPÖ wieder eine Machtposition besitzt.

Apropos Tücken im Detail. Bürgermeister Michael Häupl hat sein Interesse bekundet, die Stadtplanung (sie gehört zum Ressort von Maria Vassilakou) zu dem Wohnbauressort (von Stadtrat Michael Ludwig) zu holen. Offenbar nicht wegen Synergieeffekten, sondern wegen der roten Kritik an Vassilakou, sie sei zu langsam bei den Flächenwidmungen und verzögere Wohnbauprojekte – was die Grünen vehement bestreiten.

Spekulationen um Oxonitsch

Das Problem: Wird Häupls Plan umgesetzt, sind Stadtplanung, Umsetzung und Kontrolle in einer Hand. Das Ressort würde sich damit selbst kontrollieren, weil die dafür zuständige Baupolizei direkt jenem Stadtrat unterstehen würde, den sie eigentlich kontrollieren soll. Dass sich der Bürgermeister einen derartigen Fall von Unvereinbarkeit leistet, gilt derzeit als ausgeschlossen.

Der Auftakt der rot-grünen Koalitionsverhandlungen am Dienstag, bei dem die Verhandlungsteams von SPÖ und Grünen nur den Fahrplan für die Verhandlungen besprachen, befeuerte auch noch die Personalspekulationen. Im Zentrum stand wieder Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch. Wie „Die Presse“ berichtet hat, liebäugelt Häupl damit, seinen Bildungsstadtrat zum Klubchef zu machen (nachdem die SPÖ einen Stadtratsposten räumen muss). Nun kursiert das Gerücht, Oxonitsch könnte sogar Bildungsminister werden – als Nachfolger der nicht immer glücklich agierenden Gabriele Heinisch-Hosek.

Zwar wird Heinisch-Hosek seit einiger Zeit als Ablösekandidatin gehandelt, und Oxonitsch ist auf Bundesebene auch in die Bildungsreformgruppe eingebunden, aber: Niemand in der SPÖ würde es wagen, die rote Bundesfrauenvorsitzende, die gleichzeitig Frauenministerin ist, abzulösen und gegen einen Mann zu tauschen. Ein derartiges Signal, ist in SPÖ-Kreisen zu hören, wäre absolut verheerend, „vor allem nach der Regierungsbildung in Oberösterreich, wo nun keine einzige Frau mehr vertreten ist“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2015)

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