Wien: Die Grünen gehen auf Jobsuche

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WAHLKAMPFABSCHLUSS DER GR�NEN - VASSILAKOU(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Die Grünen wollen mehr Mitspracherecht für sich – aber auch die Bürger – in den Unternehmen der Stadt. Aufsichtsratsposten sollen künftig ausgeschrieben werden.

Wien. Koalitionsverhandlungen sind kein Wunschkonzert. Der Traum vom zweiten Stadtrat dürfte für die Grünen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geplatzt sein, hört man aus Verhandlerkreisen. Ebenso, dass Maria Vassilakous Ressort um die öffentlichen Verkehrsmittel aufgefettet wird – falls das Verkehrs- und Stadtplanungsressort noch einmal an die Grünen geht, was auch noch nicht fix ist. Sogar der Titel der Vizebürgermeisterin ist noch in der Schwebe.

Was die Verhandlungen um Posten in der ersten Reihe betrifft, sieht es also für die Grünen nicht so gut aus. Zu schwach war ihr Wahlergebnis von knapp zwölf Prozent, um Druck ausüben zu können – und die SPÖ hat noch immer die ÖVP als Ass im Ärmel. Dennoch versucht die kleine Partei, ihre Macht zu stärken und der SPÖ nicht allein das Feld zu überlassen. Die neue Strategie: möglichst viele Plätze in der zweiten und dritten Reihe besetzen. Darum fordern die Grünen in den Unternehmen der Stadt wie etwa der Wien-Holding, den Wiener Stadtwerken, dem Waff oder den Wiener Linien Posten.

Einige Jobs wolle man für sich, generell aber mehr Transparenz und öffentliche Ausschreibungen von Topjobs, damit künftig auch jene qualifizierten Arbeitskräfte, die kein Parteibuch haben, leichter Kontakt zur Stadt knüpfen können. Das bringe neuen Schwung in die ihrer Meinung nach dunkelrot verkrusteten Strukturen, so die Idee.

Bürger als Aufsichtsräte

Als Vorbild dient das „Salzburger Modell“. Anders als in Wien werden in Salzburg Aufsichtsratsposten in öffentlichen Unternehmen nach Wahlergebnis verteilt. Jene, die den Grünen nach der Landtagswahl 2013 zugesprochen worden sind, wurden von der Partei ausgeschrieben – jeder qualifizierte Bürger konnte sich bewerben. Und so kommt es, dass der Sprecher der Armutskonferenz, Robert Buggler, im Aufsichtsrat des gemeinnützigen Wohnbauträgers GSWB sitzt; Josef Sigl, Chef der Trumer-Brauerei, überwacht das Tun und Treiben des Flughafens und Kurt Luger, Professor der Kommunikationswissenschaften, sitzt im Aufsichtsrat der SalzburgerLandTourismus GmbH. Auch die Landesschulratsposten wurden derart verteilt. In der öffentlichen Verwaltung plädieren die Grünen für mehr Transparenz und eine generelle Ausschreibung der Jobs. Vom grünen Klub Salzburg heißt es auf „Presse“-Anfrage: „Wir wollten hier keine Jobs für uns, sondern mit der Postenschacherei aufräumen.“

In Wien wollen das die Grünen auch, wählen aber einen anderen Weg: Neben der Idee, neutrale Personen von außen dazuzuholen, indem man eben etwa Aufsichtsratsposten ausschreibt, wollen sie das System auch mit eigenen Leuten infiltrieren – und Führungspositionen für sich beanspruchen.

Wenig erstaunlicherweise ist die SPÖ davon nicht unbedingt angetan. Erstens mache der Ton die Musik, und der dürfte in den Verhandlungsgruppen durchaus unwirsch sein. Man sei erstaunt, auf welche Art und Weise diese Forderungen vorgebracht würden, hört man. Man wünsche sich mehr Vertrauen des künftigen Koalitionspartners und nicht, dass überall nur Korruption gewittert werde – vor allem, weil das nicht der Wahrheit entspreche.

Wenig Geld für „Wohlfühlprojekte“

Dazu sei die Idee nicht ausgegoren. Erstens sei das System in Wien anders als in Salzburg – hier werden Aufsichtsräte eben nicht von Parteien bestellt, sondern aus einem Mix aus Experten und Vertretern der Eigentümer. Heißt: Fachreferenten der Magistrate und der politischen Büros sowie Vertreter der Eigentümer sitzen typischerweise in solchen Gremien. Dazu sei ein Aufsichtsratsposten eine verantwortungsvolle Aufgabe, es gehe um gezielte Kontrolle dieser riesigen Unternehmen – das könne man nicht einfach auf irgendjemanden unter dem Deckmantel der Transparenz und Bürgerbeteiligung abwälzen. Warum immer so getan werde, als ob die Tochterunternehmen der Stadt der SPÖ gehörten, sei unverständlich: Bei der Stadt Wien und ihren Unternehmen arbeiten 80.000 Menschen, die verschiedensten – oder auch keiner Partei – angehören.

Auch was die anderen von den Grünen für sich geforderten Jobs betrifft, bleibt die Frage, wie das umsetzbar sei: Sollten nun Menschen gekündigt werden? Extra Posten geschaffen werden? – das sei zu teuer, eine Doppelstruktur sinnlos. Weder noch, hört man von den Grünen – es ginge darum, langfristig einen Paradigmenwechsel zu erzielen.

Wenn es um die Finanzen geht, dürfte es viel Diskussionsstoff geben – am Donnerstag wurde erstmals das Budget verhandelt. Es kristallisiert sich heraus, dass für teure Wohlfühlprojekte – vor allem, was den Verkehr betrifft – kaum Ressourcen da sind. Die Stadt muss sparen, ab 2016 ist laut Stabilitätspakt eine Null-Neuverschuldung vereinbart. Dennoch wächst die Stadt, die Infrastruktur müsse so effizient wie möglich ausgebaut werden – da gebe es vor allem in den Flächenbezirken Bedarf. Einige große Brocken haben die Verhandler also noch vor sich, dennoch könnte Mitte nächster Woche eine Koalition stehen. Die Parteigremien der SPÖ tagen am 16. November, die Grünen zwei Tage zuvor. Das wäre eine gute Gelegenheit, die neue Regierung intern vorzustellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2015)

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