Politikverdrossenheit der Jugend: Wählen? Ja, aber...

Junge Waehlen aber
Junge Waehlen aber(c) Clemens Fabry
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Die jungen Wähler geben zwar ihre Stimme ab, richtig begeistert sind sie davon aber nicht. Das heiß diskutierte Wahlkampfthema Integration beschäftigt die Museumsquartier-Besucher. Ein Lokalaugenschein.

Es ist ein perfekter Herbsttag – ideal, um den Tag draußen zu verbringen. Etwa im Museumsquartier, wo junge Menschen gern ihr sonntägliches Frühstück unter Freunden genießen. Einen Abstecher in das jeweilige Wahllokal haben dabei die meisten von ihnen bereits unternommen. „Ich war schon wählen, habe aber erst in der Wahlkabine meine Entscheidung getroffen. Leicht ist es mir nicht gefallen, es war nicht aus vollem Herzen“, sagt etwa die 21-jährige Sophie, bevor sie sich mit ihren Freunden einen Café Latte im Gastgarten gönnt.

Dort sitzt bereits der 20-jährige Maximilian, der eifrig Zeitschriften liest. „Ich gehe noch wählen, momentan schwanke ich aber noch zwischen zwei Parteien. Ich habe mich nicht so damit beschäftigt, aber ich habe auch kein Problem damit, wenn alles so bleibt, wie es ist. Es ist nicht perfekt, aber es geht uns gut“, sagt der junge Brigittenauer.

Hört man sich bei jungen Menschen unter 30 Jahren um, wird eines deutlich: Gewählt wird prinzipiell schon, allerdings eher aus demokratischer Überzeugung als aus parteipolitischer. So wirklich zufrieden ist selten jemand mit dem politischen Angebot. „Ich gehe noch wählen, vermutlich weiß. Mich interessieren die Parteien nicht, weil viele Leute korrupt sind. Ich würde mir eine Partei wünschen, die für junge Leute etwas tut“, sagt der 24-jährige Christian, während er es sich auf einem Enzo gemütlich macht. Und welche Themen wären das? „Jobs und Verbesserungen für die Studenten“, sagt er, während sich seine Freundin erst gar nicht dazu äußern möchte.

„Das geringere Übel“

Auch das heiß diskutierte Wahlkampfthema Integration beschäftigt die MQ-Besucher. Wobei die meisten es nicht so nennen möchten, sondern lieber von einem „respektvollen Miteinander“ sprechen. „Ich finde es nicht gut, wenn immer nur von Integration gesprochen wird, wobei es aber natürlich wichtig ist. Aber mir geht es eher darum, wie wir miteinander umgehen“, sagt die 29-jährige Ulli, die im 15. Bezirk wohnt.

Auch ihr ist die Entscheidung nicht leicht gefallen. Sie hat sie erst beim Frühstück getroffen. Was sie generell an der Politik kritisiert, ist, dass es zwar gute Ansätze gibt, aber „nichts bis zum Schluss durchdacht wird. Es geht immer nur um Kompromisse und Befindlichkeiten.“ Auch sie fügt hinzu, dass es „uns nichtsdestotrotz in Wien verdammt gut geht“.

Schauplatzwechsel. Auch im Wiener Prater nutzen Wiener und Touristen das schöne Wetter für einen Ausflug. Der 23-jährige Bernhard hat den Gang zur Wahlurne noch vor sich.

„Ich wähle das geringere Übel“, sagt er, nicht gerade begeistert von dieser Aussicht. Was er vom Angebot an junge Menschen hält? „Wenig. Die Parteien können mit Jugendlichen nicht umgehen. Die tun auf superlässig, da fühle ich mich nicht ernst genommen.“ Ihn beschäftigen die Themen Bildung und „ich will nicht sagen Integration, aber ein respektvolles Miteinander“.

Der 29-jährige Sandro hat sich, wie er es nennt, „für eine Protestwahl entschieden“ und KPÖ gewählt. Der 23-jährige Fabian, der mit ihm bei McDonald's sitzt, fühlt sich ebenso wenig angesprochen von den Parteien. „Vor allem bei der FPÖ habe ich das Gefühl, die versuchen mit ein paar einfachen Sagern Jungwähler zu erreichen. Das klappt vermutlich bei 16- bis 19-Jährigen einfacher als bei älteren.“ Wählen war aber auch er.

Mit Alena (20) und Niko (24) hätte der amtierende SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl wohl seine Freude. „Wir gehen jetzt wählen. In den letzten Jahren ist viel weitergegangen für die Jungen, zum Beispiel die Nacht-U-Bahn. Das soll auch so bleiben.“

In Zahlen

1.144.510

Wahlberechtigte

76.292

Erstwähler zwischen 16 und 18Jahren duften gestern abstimmen.

Mehr Frauen

als Männer waren wahlberechtigt:613.543Frauen, 530.967Männer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2010)

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