Vor 50 Jahren: Ein DDR-Flüchtling verblutet an der Mauer

Vor 50 Jahren: Ein DDR-Flüchtling verblutet an der Mauer
Vor 50 Jahren: Ein DDR-Flüchtling verblutet an der Mauer(c) AP
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Am 17. August 1962 starb der 18-jährige Peter Fechter vor den Augen hunderter Berliner. Ausschreitungen im Westen folgten.

An Schüsse an der Mauer war Berlin im Sommer 1962 schon fast gewöhnt. 39 Tote hatte es in den vergangenen zwölf Monaten gegeben, Meldungen über Fluchtversuche gehörten zum Alltag. Doch was am 17. August geschah, war alles andere als alltäglich. Der Mann, der an diesem Tag von DDR-Grenzwachen erschossen wurde, sollte zum bekanntesten Mauertoten der Geschichte werden.

Peter Fechter ist Maurer und 18 Jahre alt, als er gemeinsam mit einem Kollegen vom Bau am helllichten Tag die Flucht in die Freiheit versucht. Wenige Minuten nach 14 Uhr springen die beiden Männer von einem leerstehenden Gebäude aus in den sogenannten Todesstreifen und laufen in Richtung der gut zehn Meter entfernten Mauer. Sofort eröffnen vier DDR-Grenzsoldaten das Feuer. Fechters Kollege überwindet die Barriere zum Westen beinahe unverletzt, während der 18-Jährige am Becken getroffen vor der Mauer zusammenbricht.

„So helft mir doch, helft mir doch", ruft der Schwerverletzte. Doch niemand hilft. Westberliner Polizisten werfen Fechter von einer Leiter aus Verbandszeug zu, wagen aber nicht, hinüber zu steigen. Die DDR-Soldaten bewegen sich nicht aus ihrer Deckung - sie hätten Angst vor den Westberliner Polizisten gehabt, werden sie später aussagen. Auch die US-Soldaten am nahen Grenzübergang Checkpoint Charlie rühren sich nicht. Washington hat Fluchthilfe für DDR-Bürger untersagt.

Auf beiden Seiten der Mauer versammelt sich unterdessen eine Menschenmenge. Hunderte Westberliner schreien ihre Wut hinaus: „Mörder, Mörder", hallt es über die Mauer. Fechters Rufe sind inzwischen verstummt. 50 Minuten nach den Schüssen wagen sich die DDR-Wachen schließlich an die Mauer und tragen ihn weg. Im Krankenhaus wird Fechter bald darauf für tot erklärt.

Westberliner greifen Alliierten-Fahrzeuge an

Die Bilder von Fechters Sterben gehen um die Welt. In Westberlin gehen am nächsten Tag zehntausende Bürger auf die Straße. Es kommt auch zu Ausschreitungen: Hunderte Menschen greifen einen Bus der Roten Armee an, und auch gegen Jeeps der US-Armee fliegen Steine. Es sind die ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen deutschen Bürgern und amerikanischen Soldaten seit 1945. Die DDR-Propaganda verkündet unterdessen, westliche „Frontstadtbanditen" hätten Fechter „zum Selbstmord angestiftet".

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands bringen Fechters Schwestern Anzeige gegen die Todesschützen ein. Zwei von ihnen werden 1997 wegen Totschlags zu Freiheitsstrafen von 20 und 21 Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Berliner Politik beschäftigt die Tragödie auch am 50. Jahrestag noch: Sie überlegt die Zimmerstraße, an der Fechter starb, nach dem Maueropfer zu benennen.

(kron)

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