Nur Riess-Passer entkam dem Eurofighter-Schatten

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Dezember 2002: Vor zehn Jahren entschied sich das Schicksal der zweiten Amtsperiode des Kabinetts Schüssel. Ein Drama.

Sie war eine erfreuliche Erscheinung in der heimischen Politik. Im Dezember vor zehn Jahren hat die zurückgetretene FP-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer unmissverständlich dargetan, dass sie von der Politik ein für alle Mal genug habe. Nichts und niemand konnte sie von dieser Entscheidung abbringen. Und man fügte hinzu: Kein Wunder (siehe „Die Welt bis gestern“, 3.November2012). Seit damals agiert sie als Vorstandsvorsitzende von „Wüstenrot“ und ist als eine der wenigen Akteure der Regierungsära Schüssel unbeschadet jenem Schlamassel entkommen, das heute mühsam aufgearbeitet werden muss.

Die Neuwahl vom 24.November2002 brachte eine erdrutschartige Veränderung der Kräfteverhältnisse. „Knittelfeld“ war der Todesstoß für alle Ambitionen Jörg Haiders, doch noch Bundeskanzler zu werden. Wolfgang Schüssels ÖVP feierte einen Triumph. 700.000 frühere FP-Wähler wechselten ins Lager der Volkspartei. Nicht aus Begeisterung für Schüssel, sondern aus Enttäuschung über den narzisstischen Kärntner Landeshauptmann.

Doch eher Schwarz-Rot?

So besaß Schüssel mit 42,3 Prozent eine komfortable Position. Er konnte sowohl mit der SPÖ eine Koalition eingehen, als auch mit den Grünen oder mit den dezimierten Freiheitlichen. Doch in der SPÖ war man nicht begeistert von der Möglichkeit, Juniorpartner für Schüssel zu spielen. Die Kärntner und Oberösterreicher schlossen schon Anfang Dezember eine solche Koalition aus, ebenso die Wiener Parteijugend. Auch die Frauenchefin Barbara Prammer votierte heftig dagegen. Nicht unbedingt zur Freude Michael Häupls, der sehr wohl für Verhandlungen mit der ÖVP eintrat.

Also rückte eine „Vernunftehe“ mit den Grünen erstmals in greifbare Nähe. „Was, wenn nicht Schwarz-Grün?“, fragte Andreas Wabl im „Presse“-Gastkommentar. Und auch viele Bundesländer-Grüne. Lang genug hatte man in den Oppositionsbänken auf die Gelegenheit gewartet. Doch Schüssel misstraute dem grünen Liebeswerben. Van der Bellen, intellektuell eine Liga über dem ewigen Sekretär Schüssel angesiedelt, hätte bald die erste Geige spielen können. Das wäre für den Wahltriumphator Schüssel unzumutbar gewesen.

Peter Pilz gab einfach nicht auf

Und der Rest der „grünen Partie“ war den ÖVP-lern zutiefst suspekt. Allen voran Peter Pilz, der seit einem halben Jahr dunkle Andeutungen über den Ankauf der Eurofighter-Abfangjäger für das Bundesheer machte. Noch hatten Pilz und die Journalisten kaum Beweise, aber Ahnungen. Pilz blieb an der Sache dran und war nicht abzuschütteln.

Und dann ging alles recht flott. Bevor die Grünen noch richtig wach wurden, hatte Schüssel schon eine Verhandlungsrunde mit den Freiheitlichen eingefädelt, die jetzt vom Kärntner Tierarzt Herbert Haupt geführt wurden. Die geschrumpfte FPÖ musste weitere Demütigungen und Abstriche hinnehmen, um noch einmal die Mitregierung zu erlangen: Sie verzichtete auf ein Kernthema der FP-Wählerschaft, nämlich auf ein Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens, solange die Vertreibungsdekrete von Edvard Beneš nach 1945 nicht getilgt waren.

Taktischer Fehlgriff der Sonderklasse

„Die FPÖ bleibt für Schüssel nur noch als Sparringpartner“, urteilte „Die Presse“ vorschnell. Niemand hätte darauf gewettet, dass sich Schüssel nochmals für eine Partei entscheiden würde, die ihre Regierungsunfähigkeit so drastisch zur Schau gestellt hatte. Aber Schüssel sonnte sich als Übertaktiker. Und verprellte SPÖ und Grüne.

Apropos Dezember 2002: „Ein Mann kauft sich ein ganzes Land“ hieß eine große Reportage der „Presse“: Ein Milliardär aus Übersee engagierte frustrierte österreichische Politiker aus allen Parteien, um rascher zu Geschäftserfolgen zu gelangen. Und er schuf damit ungezählte neue Arbeitsplätze. Sein Name: Frank Stronach . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2012)

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