Jura Soyfer: „Wir dienen der Propaganda...“

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Das Rote Wien gedenkt des Antifa-Schriftstellers im Karl-Marx-Hof. Im „Waschsalon“ lebt die Erinnerung an eine längst verblichene Politik.

Am 8. Dezember jährte sich der Geburtstag des Theaterautors, Schriftstellers und Dichters Jura Soyfer zum 100. Mal. Aus diesem Anlass läuft eine Sonderausstellung im ehemaligen „Waschsalon“ des Karl-Marx-Hofs in Heiligenstadt. Es ist eine relativ junge Ausstellungsstätte, die sich mit viel Herzblut der Geschichte vom Roten Wien annimmt. Die Wiener Zeichnerin Andrea Maria Dusl begegnet den Texten des jung verstorbenen Dichters Jura Soyfer in großformatigen Arbeiten – in symbolhaften Bildern.

Zur Wiener Sozialdemokratie hatte Soyfer, der erst in den Siebzigerjahren wieder „entdeckt“ wurde, stets eine enge Beziehung. Denn er war „nicht nur ein Publizist und Dichter von herausragendem Format, sondern auch ein äußerst aktiver politischer Mensch, ein bedingungsloser Kämpfer gegen den Faschismus, der seinen Einsatz letztlich mit seinem Leben bezahlte“, meint der Historiker Wolfgang Neugebauer.

Geboren 1912 noch im russischen Zarenreich (im ukrainischen Charkow), landete er mit seiner Familie auf der Flucht 1920 in Wien. Ab den frühen Dreißigerjahren erschienen seine Texte in der sozialdemokratischen „Arbeiter-Zeitung“ und in der Illustrierten „Der Kuckuck“. 1936 wurde sein erstes Theaterstück uraufgeführt. In seiner tagesaktuellen „politischen Gebrauchslyrik“ führte der junge Mann mit sprachlicher Wucht einen letztlich aussichtslosen Kampf gegen das Dollfuß-Regime und den aufkeimenden Nazismus in Österreich: „Ob das, was wir schaffen, Kunst ist oder nicht, das ist uns gleichgültig. Wir dienen nicht der Kunst, sondern der Propaganda“, so Soyfer.

Als Jude und polizeibekannter antifaschistischer Schriftsteller war Soyfer durch das NS-Regime besonders gefährdet, sodass er schon am 13.März1938 mit einem Freund versuchte, auf Skiern in die Schweiz zu gelangen. An der Grenze scheiterte der Fluchtversuch. Soyfer landete im Innsbrucker Polizeigefängnis, am 23.Juni wurde er ins KZ Dachau überstellt. Dort begegnete er den prominenten Mithäftlingen Fritz Grünbaum und Hermann Leopoldi. Die drei schufen das berühmt-berüchtigte „Dachau-Lied“ („Stacheldraht, mit Tod geladen...“).

Noch einmal schien ihm das Glück hold zu sein: Soyfer bekam sein Einreisevisum in die USA. Doch am 16. Februar 1939 starb er in Buchenwald an Typhus. Er wurde 26 Jahre alt.

Tipp: „Gehn ma halt a bissl unter...“ Sonderausstellung Jura Soyfer im Karl-Marx-Hof, Wien XIX, Halteraugasse 7, Do, 13 bis 18 Uhr, So 12 bis 16 Uhr. Bis 2. Mai 2013

info@dasrotewien-waschsalon.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2013)

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