Kambodscha: Nur sieben von 14.000 überlebten die Folterhaft

(c) AP (David Longstreath)
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Ab Dienstag stehen fünf Spitzen-Funktionäre des Terrorregimes der Roten Khmer in Phnom Penh vor Gericht.

Phnom Penh. An den Wänden hängen Fotos von Folteropfern. Die Bilder sind schwarz-weiß und verblichen. Und doch sind Angst, Schmerz und Entsetzen auf ihren Gesichtern deutlich sichtbar. Nur wenige Meter entfernt, in einem weiteren Gebäude, lässt sich erahnen, was diese Menschen erleiden mussten. In schmalen Zellen stehen Bettgestelle mit Handschellen, daneben Folterinstrumente.

Tuol Sleng in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh, das einstige Horrorgefängnis S-21, ist heute ein Museum. Etwa 14.000 Kambodschaner durchlitten die Hölle von Tuol Sleng. Nur sieben haben das Foltergefängnis überlebt. Der Maler und Künstler Vann Nath ist einer von ihnen. „Wir wollen, dass die Wahrheit ans Licht kommt“, so der 63-Jährige. Zwei seiner Söhne wurden unter der Herrschaft der Roten Khmer ermordet.

Nach 30 Jahren beginnt endlich die juristische Aufarbeitung der Gräueltaten. Die „Außerordentlichen Kammern der Gerichte Kambodschas“, wie das UN-gestützte Tribunal offiziell heißt, eröffnen heute, Dienstag, das Verfahren gegen Kaing Khek Iev alias „Duch“, den damaligen Leiter von Tuol Sleng. Dem heute 66-Jährigen werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vorgeworfen.

Außer „Duch“ sind vier weitere Exkader der Roten Khmer angeklagt. Letztere haben jahrelang unbehelligt in Freiheit gelebt. Von den Gräueln hätten sie nichts gewusst, behaupten sie. Es handelt sich um den damaligen Stellvertreter von Rote-Khmer-Chef Pol Pot, den sogenannten „Bruder Nummer zwei“ Nuon Chea, um den früheren Staatschef Khieu Samphan sowie den früheren Außenminister Ieng Sary und dessen Frau, Exsozialministerin Ieng Thirith.

Die Etablierung des Tribunals verzögerte sich immer wieder: Im Juni 2003 einigte sich Kambodschas Regierung mit der UNO schließlich nach fünfjährigen Verhandlungen darauf, einen entsprechenden Gerichtshof einzurichten. Und dann dauerte es nochmals Jahre, bis die vier hohen Exkader der Roten Khmer festgenommen wurden. Das Tribunal müsse Vertrauen bei der Bevölkerung schaffen, meint Youk Chhang, Leiter des kambodschanischen Dokumentationszentrums in Phnom Penh. „Das aber wird schwierig werden, sollte einer der greisen Angeklagten noch vor Prozessbeginn sterben.“

„Von der Spitze aus starten“

Der Prozessauftakt gegen „Duch“ gilt als Test. Vielen reicht es allerdings nicht, dass sich nur fünf ehemalige Führer der Roten Khmer juristisch verantworten müssen. Zwar fände er es richtig, „von der Spitze aus zu starten“, sagt Youk Chhang. Aber das bedeute keineswegs, dass jeder, der geringere Verbrechen begangen habe, auf freiem Fuß bleiben solle.

Das Tribunal soll nun jedenfalls für späte Gerechtigkeit – und für eine breite öffentliche Diskussion sorgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2009)

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