Deutschland: Grab von Rudolf Heß beseitigt

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Die Grabstätte des 1987 in Haft gestorbenen Stellvertreters von Hitler in Wunsiedel (Bayern) war zum Walhalla für Rechtsextreme geworden. Gebeine sollen verbrannt und die Asche auf offener See bestattet werden.

München/Apa. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion ist im oberfränkischen Wunsiedel (Bayern) das Grab des Stellvertreters von Adolf Hitler, Rudolf Heß, aufgelassen worden. Es wurde laut „Süddeutscher Zeitung“ in der Nacht zum Mittwoch zwischen vier und sechs Uhr früh geöffnet. Die Gebeine von Heß seien mit Zustimmung seiner Erben exhumiert worden. Sie sollen verbrannt und die Asche dann auf offener See bestattet werden.

Über Jahre hatten sich am Grab von Heß, der 1987 in einem Berliner Gefängnis gestorben war, zu seinem Todestag, am 17.August, oft Rechtsextreme versammelt. Zum Ärger der Bürger zogen mehrere hundert Teilnehmer, auch aus dem Ausland, in Gedenkmärschen durch den 10.000-Einwohner-Ort Wunsiedel nahe Bayreuth.

Märtyrer der Rechtsextremen

In der rechten Szene gilt Heß als Märtyrer. Er wurde in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen gegen die Spitzen von NS-Regime und Militär 1946 zu lebenslanger Haft verurteilt und 1947 ins Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau im britischen Sektor überstellt. Während die sechs anderen Inhaftierten (etwa Großadmiral Karl Dönitz, Rüstungsminister Albert Speer) nach Verbüßung ihrer Haft oder vorzeitig freikamen, blieb Heß bis 1987 und brachte sich um. Gesuche auf Freilassung waren am Veto Moskaus gescheitert.

Im Testament hatte Heß gewünscht, in Wunsiedel begraben zu werden, wo seine Eltern ein Haus besaßen und ebenfalls bestattet waren. Der Vorstand der lokalen evangelischen Kirche stimmte dem zu, doch wegen der aufkommenden rechten Umtriebe strebte man bald die Auflösung des Grabes an. Als nun der Pachtvertrag auslief, verweigerte die Kirche die Verlängerung. Eine Enkelin von Heß klagte zuerst dagegen. Später ließ sich die Familie aber zur Auflösung des Grabes bewegen.

Heß wurde 1894 in Alexandria (Ägypten) als Sohn einer Kaufmannsfamilie geboren und ging dort in die deutsche Schule. Im Ersten Weltkrieg war er Infanterist, später Jagdpilot, während seines Studiums in München driftete er in rechte Kreise. 1933 wurde er von Hitler zum Stellvertreter ernannt.

Der berühmte Schottland-Flug

Am 10.Mai 1941 flog er mit einem Zerstörer vom Typ Messerschmitt Bf110 heimlich nach Schottland, wo er absprang und gefangen wurde. Er wollte (ob mit Hitlers Auftrag oder nicht ist umstritten) über Frieden verhandeln, doch Premier Churchill ließ ihn in den Tower of London werfen, wo er der letzte Gefangene in der 900-jährigen Geschichte des Kerkers war. Bis zu den Nürnberger Prozessen war er noch andernorts inhaftiert, wobei er einen Selbstmordversuch unternahm und die panische Angst entwickelte, man wolle ihn töten.

Zur Person

Rudolf Heß (*1894 in Alexandria, Ägypten) geriet in den 1920ern in rechtsextreme Kreise und wurde 1933 Adolf Hitlers Stellvertreter. Im Mai 1941 flog er heimlich in einem schweren Messerschmitt-Jäger nach Schottland, um mit britischen Politikern über einen Separatfrieden zu verhandeln. Premier Churchill ließ ihn abblitzen und ins Gefängnis werfen. 1946 wurde er in den Nürnberger Prozessen zu lebenslanger Haft verurteilt, die er im Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau absaß. Dort erhängte er sich August 1987 mit einem Kabel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2011)

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