Des Kaisers gestrenge Sparkommissare

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Wenn das die Griechen wüssten: Im Heiligen Römischen Reich wurde mit verschuldeten Staaten viel strenger verfahren.

Der Staat stand kurz vor dem Bankrott. Mit vollen Händen war jahrelang Geld ausgegeben worden, das die Regierung längst nicht mehr hatte. Auf Schulden türmten sich immer nur neue Schulden - bis irgendwann den Gläubigern dämmerte, dass es mit der Einbringung der Außenstände eventuell ein wenig zäh werden könnte. Als der Kleinstaat praktisch unregierbar geworden war, schritt die supranationale Ebene ein - und schickte einen Sparkommissar mit weitreichenden Vollmachten.

Griechenland 2012? Weit gefehlt: Die Rede ist von Sachsen-Hildburghausen im Jahr 1769, und die supranationale Institution war das Heilige Römische Reich. Beim Wiener Reichshofrat waren bereits mehrere Schuldklagen gegen den Prasserherzog Ernst Friedrich III. anhängig, und irgendwann zog man die Notbremse. Nicht zuletzt auf Betreiben seines Großonkels, des Prinzen Joseph Friedrich, den Wien auch gleich an die Spitze der eingesetzten Debit-Kommission rief. Ernst Friedrich ist seine Verschwendungssucht übrigens schlecht bekommen - er wurde schlicht entmündigt.

Griechenlands heutige Politiker vom irgendwie ja ebenfalls entmündigten Georgios Papandreou bis Technokraten-Premier Lukas Papademos, dem man in Brüssel einmal die Rettung des Landes zugetraut hat, würde sich sehr wundern, läsen sie nach, was diese Kommissionen für Vollmachten hatten. Und die griechischen Zeitungen würden sich möglicherweise mit Nazi-Vergleichen etwas zurückhalten und zu dem Schluss kommen, dass ein Sparkomissar, wie ihn jüngst Deutschland vorgeschlagen hat, für sie noch die harmlosere Variante wäre.

"Völliger Entzug der Finanzhoheit"

Verglichen nämlich mit einer der mehreren Dutzend Debit-Kommissionen, die der Kaiser in Wien bzw. sein Reichshofrat zwischen dem Ende des Dreißigjährigen Krieges - der an der Verschuldung zahlreicher Staaten im 17. Jahrhundert nicht ganz unschuldig war - und dem Ende des Heiligen Römischen Reiches in die Lande schickten, um verschwenderische Fürsten zur budgetären Räson zu bringen. Denn wenn der Kaiser auf Initiative des Reichshofrats oder auch der jeweiligen Landstände seine Sparmeister aussandte, dann beinhaltete deren Mandat Durchgriffsmöglichkeiten, von denen die heutige Troika aus EU, IWF und EZB vor Neid erblassen würde.

„Es handelte sich um einen völligen Entzug der Finanzhoheit", erklärt der Münchner Neuzeithistoriker Wolfgang Burgdorf im Gespräch mit der „Presse": „Nur noch die Debit-Kommissionen durften Schulden aufnehmen, und die gesamte Verwaltung wurde auf sie vereidigt." Mit anderen Worten: Die Regierung konnte ihren eigenen Beamten nichts mehr befehlen: „Die Fürsten durften keine Baumaßnahmen mehr durchführen. Wenn größere Kosten anfielen, musste das bewilligt werden. Und gab es in einem kleinen Territorium zu viele Schlösser, dann musste etwas verkauft werden", erklärt Burgdorf und stellt fest: „So weit sind wir im Fall Griechenlands noch nicht."

Griechenland - ein gescheiterter Staat

Die damalige Situation sei durchaus mit der heutigen vergleichbar, meint der Historiker. „Man könnte sagen, dass Griechenland ein gescheiterter Staat ist, und viele von diesen kleinen Reichsfürstentümern waren ja auch auf eine Weise gescheiterte Staaten." Zimperlichkeit war den Schuldenkommissaren dabei fremd, schildert Burgdorf: „In Sachsen-Weimar-Eisenach hat man den Leuten im Winter die Türen und Fenster weggenommen, bis sie ihre Steuern bezahlt haben." Und dennoch: Bei den Untertanen waren die Kommissionen in der Regel nicht unbeliebt, waren sie doch ein nachhaltiger Schutz vor der ortsüblichen Misswirtschaft. Die äußerte sich zumeist in einer verschwenderischen Hofhaltung mit ausgeprägter Neigung zu repräsentativen und also kostspieligen Prunkbauten.

Die Folge war eine immer drückendere Steuerlast auf die Untertanen - bis es den Landständen irgendwann zu bunt wurde und sie einen Hilferuf nach Wien absetzten. Letztlich scheint den Untertanen offenbar klar gewesen zu sein, dass sie am Ende, also bei sanierten Staatsfinanzen und einer dadurch geringen Steuerlast, besser dastehen würden. Standen sie meistens auch. Denn die Debit-Kommissionen zogen erst ab, wenn die Finanzen eines Staates - es handelte sich im übrigen immer um kleinere Entitäten des Heiligen Römischen Reiches, die „großen Fische" wie etwa Preußen waren sozusagen immun - wieder auf gesunden Beinen standen. Burgdorf: „Die Fürsten haben sich in der Regel an die ausgehandelten Verträge gehalten, sie hatten Angst vor einem weiteren Prestigeverlust."

Es konnte allerdings dauern, bis eine solche Kommission ihre Arbeit tatsächlich beendet hatte: Im Falle von Sachsen-Hildburghausen dauerte es bis 1826. Die Sparmeister waren also noch am Werk, als es ihr Heiliges Römisches Reich schon nicht mehr gab. Für die EU ist das hoffentlich kein böses Omen.

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