Schizophrene Frau darf sich scheiden lassen

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Keine Sachwalterschaft nötig: Auch wenn eine psychisch Kranke das Eherecht nicht ganz versteht, kann sie allein Klage erheben.

Wien. Es ist ein ungewöhnlicher Fall, der vom Obersten Gerichtshof entschieden werden musste. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob eine Frau, die sich scheiden lassen will, besachwaltert werden muss. Denn sie leidet unter paranoider Schizophrenie, und es war strittig, ob sie weiß, was ein Scheidungsprozess bedeutet. Allerdings kann die Frau die Scheidungsklage nur dann allein einbringen, wenn ihr kein Sachwalter an die Seite gestellt ist. Ansonsten müsste der vom Gericht bestellte rechtliche Vertreter entscheiden, ob er die Trennungsklage im Namen der Frau einbringt.

Die Sachwalterschaft angeregt hatte der Ehemann der Frau. Er gab an, dass seine Frau starken Schwankungen in Bezug auf ihren Geisteszustand unterliegt. Sie sei in bestimmten Phasen uneinsichtig und nehme offensichtlich ihre Medikamente nicht. Auch habe sie im Juli Heizöl bestellt, obwohl das gar nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Die Frau musste zudem mehrfach nach dem Unterbringungsgesetz zwangsweise eingewiesen werden. Als Sachwalter sollte eine familienfremde Person bestellt werden.

Vor Gericht ging es zunächst um die Frage, ob man für die Frau einen Sachwalter für alle finanziellen Angelegenheiten bestellt. Es stellte sich aber heraus, dass dies nicht nötig ist, weil die Frau ihre finanziellen Angelegenheiten im Großen und Ganzen im Griff hat. Sie erhält im Monat 1300 Euro (Pension, Ausgleichszulage, Pflegegeld) und ist zusammen mit ihrem Mann Hälfteeigentümer einer Liegenschaft. Sie tilgt in monatlichen Raten von 200 Euro ihre Schulden, die sich auf 3000 Euro belaufen. Im zweiten Rechtsgang ging es nun „nur“ noch um die Frage, ob die Frau besachwaltert wird, soweit es den Umgang mit Ämtern, Gerichten und Behörden betrifft. Das Bezirksgericht St. Veit an der Glan bejahte die Notwendigkeit und bestellte einen Anwalt als Sachwalter. Das Gericht begründete dies damit, dass die Frau eine Scheidungsklage plane. Sie habe aber eine völlig unrealistische Vorstellung davon, wie so ein Zivilprozess abläuft. So sei sie nicht in der Lage, komplexe rechtliche Zusammenhänge zu verstehen und könne keine konkreten Beweise vorlegen, die im Scheidungsverfahren ihre Vorwürfe gegen den Ehemann untermauern. Die Frau meine, die Scheidung zu gewinnen, „koste es, was es wolle“, schrieb das Bezirksgericht. Das Landesgericht Klagenfurt bestätigte diese Entscheidung.

Der  Oberste Gerichtshof (5 Ob 160/13k) drehte das Urteil um. Er betonte, dass ein Sachwalter immer nur als allerletztes Mittel infrage komme. Eine psychische Erkrankung allein reiche dafür nicht aus. Es würden bei der Frau aber keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Einsichts- und Urteilsfähigkeit der Betroffenen gemindert sei. Und dass die Frau „nicht die Details des österreichischen Scheidungsrechts und damit zusammenhängende Fragen der Behauptungs- und Beweislast“ kenne, rechtfertige noch keine Sachwalterbestellung. Denn viele Leute, die sich scheiden lassen wollen, würden die rechtlichen Details nicht kennen.

OGH: Chancen bei Scheidung intakt

Zudem hielten die Höchstrichter im Gegensatz zur Vorinstanz die Chancen der Frau im Scheidungsverfahren für nicht „gänzlich unrealistisch“. Schließlich gebe die Frau an, dass ihr Mann sie betrüge und seelisch grausam sei. Auch Arztbriefe und Aussagen von Nachbarn würden als Beweismittel für ihre Behauptungen angeführt werden. Die Frau erhält nach der Entscheidung des OGH nun keinen Sachwalter, sie kann also eine Scheidungsklage auf eigenen Wunsch einbringen.

Laut dem Rechtsvertreter der Frau gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Mann die Frau besachwaltern lassen wollte, um eine Scheidung zu verhindern. Der Mann habe seinen zuvor eingebrachten Antrag auf Sachwalterschaft für die Frau sogar wieder zurückziehen wollen, erklärt der Klagenfurter Anwalt Emil Golob, der im Verfahren die Frau vertrat. Man könne als Antragsteller aber ein einmal eingeleitetes Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters nicht mehr stoppen. Zudem würde ohnedies ein Sachwalter auch für eine von ihm vertretene Person eine Scheidungsklage genehmigen, wenn die Umstände dafür ausreichen, sagt Golob. Er war im Verfahren von Amts wegen bestellt worden, um die Interessen der Frau zu wahren und (schlussendlich erfolgreich) in ihrem Sinn dafür zu kämpfen, dass sie im Vollbesitz ihrer Rechte bleibt.

Auf einen Blick

Der Oberste Gerichtshof widerspricht den Vorinstanzen und kommt zum Schluss, dass eine psychisch kranke Frau keinen Sachwalter benötigt. Die an Schizophrenie leidende Frau will sich von ihrem Mann scheiden lassen. Die unterinstanzlichen Gerichte hielten eine Sachwalterbestellung für nötig, weil die Frau eine völlig unrealistische Vorstellung davon habe, wie ein Zivilprozess abläuft. Das Höchstgericht betonte hingegen, dass viele Menschen, die sich scheiden lassen wollen, die rechtlichen Details nicht kennen. Zudem könne die Frau sehr wohl Beweismittel vorlegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2013)

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