Drittwirkung: Grundrecht demontiert?

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Durchsetzbarkeit gegen Private nicht mehr dezidiert in Verfassungsrang.

Wien. Am 1.1.2014 trat die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 in Kraft, die als „Jahrhundert-Reform“ mit einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit den Rechtsschutz grundlegend neu organisiert. Zugleich wurden verschiedene Verfassungsbestimmungen in einfachen Bundesgesetzen aufgehoben, wie die des Grundrechts auf Datenschutz in § 1 Abs. 5 Datenschutzgesetz 2000 (DSG). Diese Bestimmung sah neben der Regelung der Zuständigkeit für die Geltendmachung der Rechte des Betroffenen insbesondere eine unmittelbare Drittwirkung des Grundrechts auf Datenschutz vor.

Die unmittelbare Drittwirkung ermöglicht es Privaten, verfassungsgesetzlich gewährleistete Ansprüche gegenüber anderen Privaten geltend zu machen. Das ist insofern eine Besonderheit, als solche Rechte sonst nur gegenüber dem Staat geltend gemacht werden können.

Das Grundrecht auf Datenschutz beinhaltet primär das Recht auf Geheimhaltung, das jeder Person (natürlicher wie juristischer) einen Anspruch auf Geheimhaltung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einräumt, sofern sie daran ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse hat. Begleitend hat jede Person einen verfassungsgesetzlichen Anspruch auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten.

Nach der aufgehobenen Verfassungsbestimmung konnte das Grundrecht auf Datenschutz gegen Rechtsträger des Privatrechts, soweit sie nicht in Vollziehung der Gesetze tätig wurden, auf dem Zivilrechtsweg geltend gemacht werden. Ansonsten war die Datenschutzkommission zuständig, sofern es sich nicht um Akte der Gerichtsbarkeit oder Gesetzgebung handelte.

Wortgleiches einfaches Gesetz

Zu dieser Regelung gab es eine wörtlich gleichlautende einfachgesetzliche Bestimmung (§ 5 Abs. 4 DSG). Nur diese gilt heute weiter, mit der Abweichung, dass anstelle der Datenschutzkommission die Datenschutzbehörde zuständig ist. Einfachgesetzlich ist daher die Geltendmachung des Grundrechts auf Datenschutz gegenüber Privaten weiterhin ausdrücklich vorgesehen.

In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis darauf, dass die unmittelbare Drittwirkung des Grundrechts abgeschafft werden sollte (vielmehr betonen sie die Weitergeltung). Anhand der Entstehungsgeschichte der neuen Rechtslage sowie der Zusammenschau der Regelungen kann gut argumentiert werden, dass ihm auch ohne ausdrückliche Anordnung im Grundrecht selbst materiell weiterhin unmittelbare Drittwirkung zukommt. Dennoch wäre es im Sinne der Rechtsklarheit wünschenswert, dies ausdrücklich festzuschreiben.

Ohne die unmittelbare Drittwirkung gäbe es für die Durchsetzung datenschutzrechtlicher Ansprüche gegen Private nicht mehr den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Der Einzelne könnte trotzdem weiterhin seine Ansprüche gegenüber Privaten (Unternehmen) aufgrund der einfachgesetzlichen, auf der EU-Datenschutzrichtlinie basierenden Bestimmungen des DSG durchsetzen. Allerdings bedeutete dies eine nicht unerhebliche qualitative Einschränkung der Rechte des Einzelnen und liefe auf eine Demontage des Grundrechts auf Datenschutz hinaus.


MMag. Diregger ist Betriebswirt und international tätiger Jurist. privacy@diregger.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2014)

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