Mietzinse, die Erhaltungskosten nicht abdecken

Photo: Klaus Stöger / Die Presse
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Polen wurde wegen staatlicher Mietenregulierung zu Schadenersatz verurteilt.

WIEN (hes). Immer wieder fühlen sich Hauseigentümer durch nationale Gesetzgebung in ihrem Recht auf Eigentum beschnitten. Aber dermaßen eingeschränkt, wie die Beschwerdeführerin des Falls Hutten-Czapska gegen Polen, sah der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bisher noch kaum einen Hauseigentümer.

Die staatliche Mietenregulierung erlaubte der Beschwerdeführerin keine privatrechtliche Mietvereinbarung mit ihren Mietern abzuschließen, da der Staat quasi an ihre Stelle trat. So waren nach polnischer Rechtslage auch zahlreiche Bedingungen an die Beendigung eines Mietverhältnisses geknüpft. Die gesetzlich vorgesehene Mietzinshöhe lag grundsätzlich unter den Instandhaltungskosten. Eine entsprechende Erhöhung war Vermietern untersagt.

Die polnische Regierung verteidigte sich unter anderem mit einem Hinweis auf das Urteil Mellacher und andere gegen Österreich, wonach die Staaten im Bereich der Mietgesetzgebung nicht nur zur Reduzierung des Mietzinses unter den Marktwert, sondern auch zur Ergreifung radikaler Maßnahmen wie etwa der Nichtigkeitserklärung rechtsgültig geschlossener Mietverträge berechtigt sind. Dem hielt der EGMR entgegen, dass im Gegensatz zum Fall Mellacher keinerlei Rückerstattung der Instandhaltungskosten vorgesehen waren und es dem Vermieter auch nicht möglich war, eine Angleichung der Mieteinnahmen an die Erhaltungskosten zu erlangen. Ein weiterer entscheidender Unterschied zum österreichischen Fall sei darin zu sehen, dass sich in Polen die Mietzinshöhe unter den Instandhaltungskosten bewegte. Das polnische System sah auch keinerlei staatliche Zuschüsse oder vergleichbare Unterstützung für die Instandhaltung der Objekte vor, während in Österreich das §18 MRG-Verfahren (ein Mietzinsanhebungsverfahren) hier eine gewisse Abhilfe schafft – allerdings nur vorübergehend.

Der Gerichtshof kam zum Schluss, dass Polen es verabsäumt hatte, einen gerechten Ausgleich zwischen den allgemeinen Interessen der Gemeinschaft und dem Schutz der Eigentumsrechte der Beschwerdeführerin und anderen Personen zu treffen.

Im Fall Mellacher und andere gegen Österreich entschied der Gerichtshof 1989, dass das Recht auf Eigentum nicht verletzt worden war. Die Hauseigentümer Mellacher hatten sich durch ein Urteil beschwert gefühlt, das ihrem Mieter Recht gab. Er hatte seinen Mietzins von 1870 auf 330 Schilling monatlich senken lassen, was immer noch 150 Prozent des höchstzulässigen Hauptmietzinses für Wohnungen der Kategorie D entsprach. Der EGMR sah den Eingriff des Gesetzgebers innerhalb des staatlichen Ermessensspielraums.

Im Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen Polen ist aber auch ausdrücklich die Rede vom Recht des Vermieters auf Gewinnerzielung durch Mieteinnahmen. Spannend wird sein, wie dies heute, fast 20 Jahre später, vom Gerichtshof beurteilt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2007)

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