Schutz für Nutzer von Tauschbörsen

AP Photo/Lionel Cironneau
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Auskunftspflicht von Providern nach Urheberrechtsgesetz dürfte zu weit gehen.

WIEN. Die europäische Musikindustrie musste im Kampf gegen die vielen Tauschbörsen im Internet, bei denen Musik-, aber auch Filmdateien von Computer zu Computer entgeltlos kopiert werden können, einen herben Rückschlag einstecken. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer Vorabentscheidung vom 29. Jänner (C-275/06 – „Die Presse“ hat bereits kurz berichtet) festgehalten, dass der geltende europäische Rechtsrahmen die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, zum Schutz von Urheberrechten eine Pflicht zur Mitteilung personenbezogener Daten im Rahmen eines Zivilverfahrens vorzusehen.

Anlass der mit Spannung erwarteten, von Fachleuten jedoch bereits geahnten, Klarstellung war ein vom Madrider Handelsgericht eingereichtes Vorabentscheidungsersuchen über die Auslegung von mehreren Richtlinien betreffend die Dienste der Informationsgesellschaft und des Urheberrechts bzw. den daraus resultierenden Interessenkonflikt.

Provider gegen Produzenten

Die spanische Telefongesellschaft Telefonica, die auch als Internetprovider tätig ist, verweigerte der Plattenlabel-Vereinigung Promusicae die Ausfolgung personenbezogener Verkehrsdaten von Internetkunden, die über Tauschbörsen illegal Musik zum Download angeboten haben sollen. Promusicae wandte sich daraufhin an das Madrider Handelsgericht. Nach spanischem Recht ist allerdings – im Gegensatz zur österreichischen Rechtslage – die Weitergabe von personenbezogenen Daten an Gerichte und Behörden nur im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen, nicht aber zur Durchsetzung von zivilen Urheberrechtsansprüchen erlaubt.

Zusammengefasst hielt der EuGH fest, dass es den Mitgliedstaaten selbst überlassen bleibt, eine Auskunftspflicht im Rahmen eines Zivilgerichtsverfahrens bei Verletzungen des Urheberrechts vorzusehen. Dabei muss aber ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Grundrechten, vor allem dem Recht auf Achtung des Privatlebens und dem Eigentumsrechts, gewahrt bleiben. Mit anderen Worten: Eine Offenlegung personenbezogener Daten, auch gerade zum Schutz gegen Eingriffe in das geistige Eigentum, ist nur dann zulässig, wenn die Schwere des Eingriffs eine Offenlegung der Daten rechtfertigen kann.

Die Entscheidung des EuGH ist wohl dahingehend auszulegen, dass eine Offenlegung der personenbezogenen Daten von Personen, die sich an Tauschbörsen ohne gewerbsmäßige Verwertung im großen Stil beteiligen, nicht verhältnismäßig und somit auch nicht zulässig ist. Der Grundrechtsschutz auf Geheimhaltung von personenbezogenen Daten (privater) Filesharer steht daher über dem Schutz des Urhebers und Verwertungsberechtigten.

Privatanklage hilft nicht mehr

Für Österreich hat dieses Erkenntnis besondere Auswirkungen. Mit der großen StPO-Reform ist ja die Möglichkeit weggefallen, Filesharer mit strafprozessualen Mitteln auszuforschen. Nach einer klärenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Jahr 2005 (11 Os 57/05z) war es bisher möglich, mittels Antrags auf Einleitung von Vorerhebungen und Ausforschung der Nutzer bei den jeweiligen Internetprovidern die Täter ausfindig zu machen (das Vorliegen der Daten beim Provider zum Zeitpunkt der Anfrage vorausgesetzt). Seit 1.Jänner findet gemäß § 71 (neu) StPO ein Voruntersuchungen und Vorerhebungen ersetzendes Ermittlungsverfahren bei Privatanklagedelikten (wie es Urheberrechtsverletzungen sein können) jedoch nicht mehr statt. Die Privatanklage bietet daher keine Möglichkeit mehr, den Namen des Filesharers auszuforschen.

Damit verlagert sich die Diskussion auf die zivilrechtliche Ebene. Es fragt sich, ob die Bestimmung des § 87b Urheberrechtsgesetz (UrhG), die die Herausgabe der Daten an den Urheber anordnet, richtlinienkonform ist bzw. mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht. So wird die Ansicht vertreten, dass die durch die Urheberrechtsgesetz-Novelle 2006 in §87b UrhG normierte Auskunftspflicht direkt an (private) Rechte-inhaber – und nicht, wie in der Promusicae-Entscheidung zugrunde liegend, an ein Gericht – nicht gemeinschaftsrechtskonform wäre. Darüber hinaus scheint mehr als fraglich, ob die allgemeine zivilrechtliche Auskunftspflicht von Vermittlern nach § 87b Abs. 3 UrhG, wie zumindest Internetserviceprovider sie darstellen, ohne Einschränkung auf schwerwiegende Eingriffe nicht unverhältnismäßig ist und daher ebenso gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt.

Aufschluss wird die vom OGH (4Ob 141/07z) dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegte (und noch anhängige) Frage bringen, ob der geltende Rechtsrahmen die Weitergabe personenbezogener Daten an private Dritte, also nicht an ein Gericht oder eine Behörde, zum Zweck der zivilgerichtlichen Verfolgung bescheinigter Verletzungen von urheberrechtlichen Ausschlussgründen (Verwertungs- und Werknutzungsrechten) ausschließt. Das könnte dann schon ein Matchball für die Tauschbörsennutzer sein.

Dr. Oliver Scherbaum ist Partner der Wille Brandstätter Scherbaum Rechtsanwälte OEG, www.w-b-s.at

FALL:Promusicae

Der EU-Gerichtshof verneinte in der Rechtssache C-275/06 – Productores de Música de España (Promusicae) gegen Telefónica de España SAU – einen EU-rechtlichen Anspruch auf Herausgabe der Verbindungsdaten von Musik-Tauschbörse-Nutzern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2008)

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