Deutsche Abgeltungsteuer als Vorbild für Österreich?

Photo: Michaela Bruckberger
  • Drucken

Kapitalerträge: Der Steuergesetzgeber kennt offenbar nur Gewinne.

WIEN. Die Kapitalertragsteuer („KESt“) ist vielleicht die erste Steuer, mit der ein Mensch in seinem Leben konfrontiert wird, wenn er sein Sparschwein geschlachtet und den Inhalt auf ein Sparbuch eingezahlt hat. Es klingt fast unglaublich, dass Zinsen bis in die 80er Jahre keinem Steuerabzug an der Quelle unterlagen. Die Aufregung war groß, als vor etwa zwanzig Jahren eine zehnprozentige Kapitalertragsteuer auf Zinserträge aus Bankeinlagen eingeführt wurde. Mittlerweile beträgt die KESt schon 25 Prozent.

Während laufende Kapitalerträge (Zinsen, Dividenden) von dieser Steuer seither fast vollständig erfasst wurden, waren Kursgewinne von Anleihen und Aktien im Privatvermögen steuerfrei, wenn sie außerhalb der Spekulationsfrist erzielt wurden, also zwischen Anschaffung und Veräußerung des Wertpapiers mehr als ein Jahr lag. Dies war einfach und günstig.

Diese Regel galt bis vor wenigen Jahren. Dann entschied der Verwaltungsgerichtshof in einem denkwürdigen Erkenntnis, dass Kursgewinne von Indexzertifikaten der KESt unterliegen. Während Kursgewinne von klassischen Titeln (Aktien, festverzinslichen Anleihen) im Privatvermögen außerhalb der Spekulationsfrist weiterhin nicht besteuert werden, unterliegen Kursgewinne von Zertifikaten seither der KESt.

Kauft man als Privatanleger einige Aktien oder eine Feinunze Gold und verkauft sie nach mehr als einem Jahr wieder, ist der Gewinn, den man damit hoffentlich erzielt hat, steuerfrei. Kauft man hingegen ein Zertifikat, dessen Wert 1:1 jenem dieser Aktien oder des Goldes entspricht, so wird bei Veräußerung vom Kursgewinn 25 Prozent KESt eingehoben. Diese Logik ist nicht nachvollziehbar.

In Deutschland war die Rechtslage ähnlich unsystematisch, weshalb der Gesetzgeber versuchte, die Besteuerung der Kapitaleinkünfte zu vereinheitlichen. Veräußerungsgewinne von Aktien, Anleihen und sonstigen Kapitalmarktprodukten werden ab 2009 wie Zinsen, Dividenden und sonstige Ausschüttungen einer „Abgeltungsteuer“ von 25 Prozent unterliegen.

Auf den ersten Blick erscheint diese Regelung zwar einfach und verständlich. Die Fachwelt hat jedoch Bedenken. So wird kritisiert, dass es (wie in Österreich) weiterhin nicht möglich ist, „Werbungskosten“, also Depotgebühren, Spesen, Fremdkapitalzinsen, bei privaten Einkünften aus Kapitalvermögen steuerlich geltend zu machen.

Auch die Frage der Berücksichtigung von Verlusten ist aus Anlegersicht schlecht gelöst. Wie der österreichische Steuergesetzgeber kennt auch der deutsche anscheinend nur Gewinne: Verluste von Wertpapieren kann der Privatanleger steuerlich praktisch nicht geltend machen. Im Extremfall zahlt er Einkommensteuer für Kapitaleinkünfte, die er insgesamt gar nicht hat.

Eine Reform der Besteuerung von Kapitaleinkünften ist schwierig. Sie wird in Österreich wohl auf sich warten lassen. Für den Sparer könnte es aber durchaus wünschenswert sein, wenn sich Österreich hier kein Vorbild an Deutschland nimmt. Vergleichsweise einfach und steuergünstig wäre eine Rückkehr zur Steuerfreiheit von Kursgewinnen außerhalb der Spekulationsfrist. Das aber wird wohl aus fiskalistischen Gründen scheitern.

MMag. Dr. Twardosz, LL.M., ist Steuerberater in Wien und Jurist bei Dorda Brugger Jordis.

AUF EINEN BLICK

In Deutschland wird die Besteuerung von Kapitalerträgen ab 1. Jänner 2009 vereinheitlicht: Ab diesem Tag wegen Veräußerungsgewinne von Aktien, Anleihen und sonstigen Kapitalmarktprodukten wie Zinsen, Dividenden und sonstige Ausschüttungen einer „Abgeltungsteuer“ von 25 Prozent unterliegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.