Brandstetter: Ein Mann der klaren Worte

MINISTERRAT: BRANDSTETTER
MINISTERRAT: BRANDSTETTER(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Im Umgang mit Missständen in Gefängnissen beweist Justizminister Wolfgang Brandstetter Stärke. Viel wird aber davon abhängen, welche Taten seinen Worten folgen.

Wien. „Das System ist krank“, sagt Wolfgang Brandstetter, nachdem Bilder von der Misshandlung eines Häftlings in Suben auftauchten. Die Justizanstalt Stein, in der ein Insasse im Maßnahmenvollzug gröblich vernachlässigt wurde, wird vom Minister persönlich besucht. Eine „Katastrophe“ sei das, was passiert ist, sagt Brandstetter, der eine „größere Reform“ verspricht. Es zeigt sich: Der Justizminister ist ein Freund der klaren Worte.

Der 56-jährige Strafverteidiger und Universitätsprofessor hat sich im Ministerium eingelebt. Das symbolisiert nicht nur der Wurlitzer, den er ins Ministerium mitgebracht hat. Brandstetter ist auch im Amt angekommen. Hatte er zu Beginn noch politisch etwas unbeholfen gewirkt und sich bei zivilrechtlichen Fragen regelrecht um Antworten gedrückt, so ist sein jetziges Krisenmanagement vorbildlich. Er macht nicht den Fehler seiner Vorgängerin Beatrix Karl, die Ereignisse herunterspielte und nach der Vergewaltigung eines 14-Jährigen in der U-Haft erklärte, dass der „Strafvollzug kein Paradies ist“. Brandstetter habe im Vergleich zu Karl „mehr Gespür und diplomatisches Geschick“, konstatiert etwa Anwälte-Präsident Rupert Wolff.

Im Amt „politischer“ geworden

Dass Brandstetter ins Amt gekommen ist, verdankt er Michael Spindelegger. Die beiden kennen sich aus der gemeinsamen Zeit als Universitätsassistenten. Quereinsteiger im Justizressort sind zwar immer ein Risiko – man denke nur an die glücklose Claudia Bandion-Ortner. Brandstetter aber macht seine Sache bisher gut. Er spricht zwar schnell, eigentlich zu schnell für einen Politiker, aber dafür wirkt er authentisch und kompetent. Mit der parteipolitischen Unabhängigkeit ist es freilich nicht ganz so weit her, auch wenn Brandstetter nicht ÖVP-Mitglied ist.

Als Brandstetter am vergangenen Wahlsonntag in der ÖVP-Zentrale die Hochrechnung ansieht, hält er sich mit dem Applaus zwar zunächst noch einige Sekunden zurück. Dann aber kann auch er nicht anders und klatscht ob des Erfolgs der Partei in die Hände. In der Parteizentrale, in der es auf einem Ständer Fankarten aller wichtigen ÖVP-Politiker gibt, wird Brandstetter sogar der oberste Platz zuteil, auch wenn seine Karte nicht mit einem Parteilogo versehen wurde. Und als der Minister im März eine Pressekonferenz zur Sachwalterschaft gab, trat Brandstetter nur mit ÖVP-Seniorenvertretern auf, rote Pensionisten waren nicht geladen. Brandstetter, der wie fast alle in Spindeleggers Team dem CV angehört, ist ideologisch klar zur schwarzen Reichshälfte zu zählen.

Für Gegenargumente immer offen

Doch in der Arbeit lässt sich Brandstetter von sachpolitischen Motiven leiten. „Er ist nicht parteipolitisch getrieben“, betont Werner Zinkl, Chef der Richtervereinigung. „Er nimmt sehr ernst, was andere sagen und er greift auch Argumente von Personen, die nicht seiner Meinung sind, auf“, lobt der Richter. Jüngstes Beispiel dafür war die Strafprozessreform, in der Brandstetter nach Kritik in der Begutachtung rasch von der Idee abrückte, dass Haft in einem Schnellverfahren per Brief (Mandatsverfahren) verhängt werden kann. Juristen hatten davor gewarnt, dass Leute sich der Tragweite des Briefes nicht bewusst wären und Einspruchsfristen versäumen würden. Brandstetter gab darauf unumwunden zu: „Beim Mandatsverfahren mag die Verfahrensökonomie etwas zu stark im Vordergrund gestanden sein.“ Nur für Geldstrafen soll das Urteil per Brief nun kommen. Und dass der Minister grundsätzlich für raschere Verfahren, speziell in Wirtschaftsstrafsachen, sorgen will, wird ohnedies begrüßt.

Der dreifache Familienvater, der täglich mit dem Dienstwagen aus Eggenburg nach Wien pendelt, tritt nach außen hin immer freundlich und zurückhaltend auf. Die Selbstverliebtheit, die manche Politiker an den Tag legen, ist Brandstetter tatsächlich fremd.

Doch man kann es mit der Zurückhaltung auch übertreiben. So erklärte Brandstetter vor Journalisten immer wieder stolz, dass er sich nicht inhaltlich um die Weisungen im Strafrecht kümmere. Sie wurden bis zu einer endgültigen Lösung einem Weisenrat überantwortet. Brandstetters Zurückhaltung mag populär klingen, ändert aber nichts daran, dass laut Gesetz immer noch nur der Minister, und kein Weisenrat, Weisungen geben darf. Doch zu hoffen wäre, dass ein Minister sich genau überlegt, was er da unterschreibt.

Knackpunkte: Weisungen, Mietrecht

Brandstetters Suche nach einer dauerhaften, gesetzlichen Lösung der Weisungsproblematik ist ihm aber anzurechnen. Gerade Brandstetter, dessen Vergangenheit als Strafverteidiger in teils noch laufenden Fällen immer wieder thematisiert wird, könnte dieses Thema angehen und so das Vertrauen in die Justiz stärken. Hier wie auch im Zivilrecht (Brandstetter kündigte etwa Reformen im Mietrecht oder im Erbrecht an), muss man aber abwarten, ob der Minister seinen Worten auch Taten folgen lässt. Gerade in diesen Bereichen haben schon Vorgänger große Versprechen gemacht, aber nicht gehalten.

Noch ist es also zu früh, um zu beurteilen, ob Brandstetter ein guter Justizminister ist. Dass er das Grundgerüst dafür besitzt, hat er aber zuletzt gezeigt.

ZUR PERSON

Wolfgang Brandstetter (56) ist seit Dezember Justizminister, zuvor war er als Strafrechtsprofessor an der WU und als Strafverteidiger, etwa von Rudolf Fischer in der Telekom-Affäre, von Tilo Berlin sowie von Rakhat Alijew tätig. Letzterer war sogar kurzzeitig an Brandstetters Wohnadresse gemeldet, was im Zusammenhang mit Brandstetters Ernennung zum Minister für Aufregung sorgen sollte. Der gebürtige Haager gilt als Vertrauter von ÖVP-Chef Michael Spindelegger, die beiden kennen sich aus der Zeit, als sie gemeinsam als Assistent an der Uni Wien gearbeitet haben. Kanzler Faymann wiederum ließ sich von Brandstetter in der Inseratenaffäre vertreten. Brandstetter ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Eggenburg (Niederösterreich).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2014)

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