Nachrangtafel verdeckt: Firma haftet

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Lenkerin übersah Verkehrszeichen hinter mobilem Baucontainer. OGH urteilt: Baufirma zur Hälfte mit schuld an Kollision mit Auto, das von links kam.

Wien. Missachtet jemand ein Verkehrszeichen, das gar nicht sichtbar ist, trifft ihn keine Schuld. Das gilt zum Beispiel dann, wenn die Tafel im Zuge von Bauarbeiten entfernt oder durch äußere Gewalteinwirkung umgeknickt wurde. Aber wie steht es um das Verschulden, wenn das Verkehrszeichen zwar schlecht, aber gerade noch sichtbar ist? Dann müssen sich Autofahrer zwar daran halten; aber derjenige, der für die schlechte Sicht verantwortlich ist, kann mit schuld sein, wenn es an der Kreuzung kracht.

Genau das ist im Herbst 2008 Ecke Matthias-Schönerer-Gasse/ Schanzstraße in Wien Hütteldorf passiert. Dort waren gerade Bauarbeiten zum Verlegen von Kabeln im Gange, oder besser gesagt: nicht im Gange. Denn weil es regnete, stand die Baustelle still – wie auch ein sonst mobiler Baucontainer. Solche „Bauwohnwagen“ nutzen Arbeiter zum Umziehen und während ihrer Arbeitspausen. Unglücklicherweise verdeckte diese Behausung die Sicht auf das Zeichen „Vorrang geben“, das Fahrzeugen in der Matthias-Schönerer-Gasse die Wartepflicht gegenüber solchen auf der Schanzstraße anzeigen sollte. So übersah eine mit den lokalen Gegebenheiten nicht vertraute Lenkerin die Nachrangtafel, konzentrierte sich auf den Blick nach rechts in die Schanzstraße und stieß prompt mit einem von links kommenden Auto zusammen. Wäre sie im Schritttempo an dem Container vorbeigefahren und hätte sie hinter ihn gelugt, dann hätte sie das Verkehrszeichen sehen können.

Trotzdem klagte die Frau die Baufirma auf Ersatz des Sachschadens und auf Zahlung von Schmerzengeld. Während das Bezirksgericht Fünfhaus das Verschulden am Unfall zu gleichen Teilen bei der Lenkerin und der Baufirma sah, entschied das Landesgericht für Zivilrechtssachen auf 3:1 zulasten der Klägerin.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) korrigiert nun wieder auf 50Prozent Mitschuld der Baufirma (2Ob212/13k): Laut behördlicher Bewilligung war das Unternehmen verpflichtet, außerhalb der Arbeitszeit Behinderungen jeglicher Art zu vermeiden. Indem die Arbeiter den Container auch nach der Arbeit stehen ließen, verletzten sie jene Schutznorm, die Gefahren verhindern sollte. Da aber die Klägerin bei einer ihr unbekannten Kreuzung auf die Einschränkung der Sicht hätte reagieren und daher besonders vorsichtig hätte fahren müssen, ist auch sie zur Hälfte mit schuld, so der OGH. (kom)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2014)

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