Wenn Banken Kredite vorzeitig fällig stellen

(c) BilderBox (Erwin Wodicka)
  • Drucken

Banken reagieren auf die Wirtschaftslage: Bestehenden Kredit-Nehmern wird mit der Fällig-Stellung der Forderung gedroht, sofern sie nicht neuen Konditionen zustimmen. Nicht immer ist diese Vorgangsweise zulässig.

Wien. Die globale Finanzkrise hat inzwischen zu einer Krise der Realwirtschaft geführt. Sowohl den Banken als auch ihren Kreditnehmern geht es wirtschaftlich schlecht. Das macht Banken doppelt nervös: Einerseits sind die Mittel zur Kreditvergabe knapp, sodass das Neugeschäft zurückgeht. Andererseits erhöht sich das Ausfallsrisiko bestehender Kreditkunden im Altgeschäft.

Banken zeigen daher Neigung, risikoträchtiges Altgeschäft (mit niedrigem Risikoaufschlag im Zinssatz) in Neugeschäft mit höherem Risikoaufschlag umzuschichten. Bestehende Kreditnehmer werden daher derzeit zum Teil unter Androhung der Fälligstellung mit Forderungen nach einer Änderung der Zinskondition und/oder der Sicherheitenstellung konfrontiert. Für diese Kreditnehmer stellt sich die Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen Banken auch ohne Eintritt von Zahlungsverzug einen Kredit oder ein Darlehen fällig stellen dürfen.

Blick in die AGB

Die Frage der Fälligstellung wird üblicherweise durch Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblätter geregelt. Diese unterliegen allerdings einer gesetzlichen Inhaltskontrolle: Für alle Kreditnehmer gilt (nach § 879 Abs. 3 ABGB), dass solche Vertragsbestimmungen, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegen, nichtig sind, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligen. Verbrauchern kommen auch die ergänzenden Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes zugute. Vertragsbestimmungen, nach denen der Unternehmer ohne sachliche Rechtfertigung vom Vertrag zurücktreten kann (und die nicht im Einzelnen ausgehandelt worden sind), sind gegenüber Verbrauchern nicht verbindlich (§ 6 Abs. 2 Zif. 1 KSchG).

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der meisten Banken sehen vor, dass, soweit keine Vereinbarung auf bestimmte Dauer vorliegt, die Bank die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Teile davon unter Einhaltung einer angemessenen Frist kündigen kann (Zif. 22). Das bedeutet, dass Darlehensverträge (und Abstattungskredite), die auf eine bestimmte Dauer geschlossen wurden, nicht nach freiem Belieben (das heißt ohne wichtigen Grund) fällig gestellt werden können.

Die Vereinbarung einer bestimmten Laufzeit muss auch keine ausdrückliche sein, sie kann vielmehr auch konkludent erfolgen, etwa durch Gewährung eines Kredits für einen bestimmten Zweck. Das kann auch dazu führen, dass gewährte Kreditlinien an Unternehmen nicht fällig gestellt werden können, wenn diese Kreditlinien für einen Zweck gewährt wurden, der noch nicht verwirklicht ist.

Mitunter enthalten Kreditverträge auch eine sogenannte Inflationsklausel. Damit versuchen sich Banken dagegen abzusichern, dass die Inflationsrate den Kreditzinssatz übersteigen könnte. Nur Klauseln, die an einen laufenden Vergleich von Inflationsrate und Kreditzinssatz anknüpfen, dürften allerdings das Kriterium der Vermeidung gröblicher Benachteiligung (nach §879 Abs. 3 ABGB) und das Kriterium der sachlichen Rechtfertigung (nach §6 Abs.2Zif.1 KSchG) erfüllen. Eine Klausel, die eine Fälligstellung während der Laufzeit schon deshalb erlaubt, weil sich ein Preisindex seit dem Vertragsabschluss in Summe um einen bestimmten Prozentsatz erhöht hat, wäre danach nicht zulässig, weil diese Folge regelmäßig eintritt und die laufende Geldentwertung ohnehin bereits durch einen Teil des Zinssatzes kompensiert wird.

Vermögensgefährdung als Grund

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken sehen schließlich auch vor, dass die Bank zur Fälligstellung eines Kredits oder Darlehens berechtigt ist, wenn eine Verschlechterung oder Gefährdung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder eines Mitverpflichteten eintritt und dadurch die Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Kreditinstitut gefährdet ist. Dies ist freilich eine Klausel, die in der Praxis einen weiten Auslegungsspielraum und viel Platz für unterschiedliche Einschätzungen eröffnet.

Diese Unsicherheit der Auslegung eröffnet allerdings auch ein erhebliches Risiko für die Bank: Eine Fälligstellung ist danach nämlich nicht gerechtfertigt, wenn die Erfüllung der Verbindlichkeit gegenüber der Bank (trotz Verschlechterung oder Gefährdung der Vermögensverhältnisse) nicht gefährdet gewesen wäre, sondern erst durch die Fälligstellung gefährdet wird. Diesfalls wird die Bank für die Folgen der ungerechtfertigten Fälligstellung schadenersatzpflichtig.

Dr. Reinhard Schanda ist
Rechtsanwalt in Wien.

AUF EINEN BLICK

Die Fälligstellung von Kreditenwird meist in den AGB geregelt. Diese können etwa vorsehen, dass Banken bei einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden den Kredit fällig stellen können, sofern die Erfüllung von Verbindlichkeiten gefährdet ist. Diese Klausel lässt freilich einen großen Interpretationsspielraum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.