Nachschulung für Mann, der nicht am Steuer saß

(c) Stanislav Jenis
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Tücken der Rechtskraft. Ein Autofahrer überzeugte das Landesverwaltungsgericht Steiermark, dass nicht er, sondern ein Freund zu schnell gefahren war. Zur Führerschein-Nachschulung muss wohl trotzdem er – weil er ein Strafmandat bezahlt hat.

Wien. 71 Stundenkilometer anstatt der im Ortsgebiet erlaubten 50: Dieses Messergebnis hielt, unter Berücksichtigung der üblichen Messtoleranz, die Bezirkshauptmannschaft Voitsberg einem Steirer in einer Strafverfügung vor. Dass der Mann dies widerspruchslos hinnahm, sollte er noch bereuen: Er zahlte nämlich, obwohl er zur Tatzeit gar nicht am Steuer gesessen war, und muss jetzt wohl auch noch zur Führerschein-Nachschulung. Außerdem muss er sich vermutlich länger als gedacht mit dem Probeführerschein begnügen.

Unter Verweis auf die Rechtskraft der Strafverfügung verpflichtete die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung den Mann „als Besitzer eines Probeführerscheins der Klassen: AM, B“ zu einer Nachschulung innerhalb von vier Monaten. Die zweijährige Probezeit verlängere sich dadurch um ein weiteres Jahr. Dagegen erhob der Mann Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Steiermark. Dieses führte eine Verhandlung durch, befragte den Beschwerdeführer und kam zu der Überzeugung: Zum Zeitpunkt der Radarmessung vom 4. Oktober 2013 lenkte nicht er selbst sein Auto, sondern sein Freund. Weil also davon auszugehen sei, dass der Mann die Verwaltungsübertretung nicht begangen habe, hob das Gericht den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung auf. Und scheiterte damit an den Tücken der Rechtskraftwirkung, wie die nachfolgende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) ergab.

Behörde siegt bei Höchstgericht

Obwohl das Gericht – für den VwGH unverbindlich – eine Revision für unzulässig erklärte, wandte sich die zunächst unterlegene Behörde ans Höchstgericht. Und dieses hob das Erkenntnis auf. Begründung: Das Gericht habe „die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Bindungswirkung rechtskräftiger Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen außer Acht gelassen“ (Ra 2014/11/0027).

Nach dieser Rechtsprechung „ist die Führerscheinbehörde, wenn eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Geschwindigkeitsübertretung vorliegt, jedenfalls in Ansehung des Umstands, dass der Betreffende die im Strafbescheid genannte Tat begangen hat, gebunden“. Mit anderen Worten: Weder die Behörde noch das Gericht können eigene Feststellungen über die Identität des Täters treffen. Die steht ein für alle Mal fest, es sei denn, es gelingt eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens.

Identität fix, Tempo nicht

Bloß das Ausmaß der Tempoüberschreitung könnte noch hinterfragt werden, sofern es nicht Teil des gesetzlichen Tatbestands ist. Das ist etwa bei den stufenweise verschärften Strafdrohungen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 30 km/h bzw. 50km/h außerhalb des Ortsgebiets und 40 km/h im Ortsgebiet der Fall.

Möglicherweise bietet das aber dem vermeintlichen Temposünder eine Chance: Die ihm angelasteten 21 km/h über der Norm sind nämlich nicht Teil der Strafbestimmung, derentwegen er bestraft wurde. Hinsichtlich des genauen Tempos besteht also keine Bindungswirkung. Theoretisch müsste dem Mann nun im weiteren Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung immerhin die Verteidigung offenstehen, keinen „schweren Verstoß“ begangen zu haben, der nach dem Führerscheingesetz unter anderem erst ab 20 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung im Ortsgebiet vorliegt.

Fest steht indes, dass sich eine Probezeit nur auf seinen Führerschein der Klasse B beziehen kann. Bei der Klasse AM (Moped) gibt es nämlich keine Probezeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2014)

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