Letzter Wille: Post-it auf Testament ändert am Erbe nichts

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Ein Mann wollte seiner Freundin eine Liegenschaft hinterlassen. Auf einem Klebezettel schrieb er aber dazu, dass er vorher mit dem Sohn reden wolle. Dazu kam es nicht. Die Frau erbt trotzdem.

Wien. Auch ein kleiner Klebezettel kann einen Prozess auslösen. Das zeigt eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs. Im Mittelpunkt stand ein Post-it, das auf einem handgeschriebenen Vermächtnis klebte. Aber machte dieser Zettel das Testament (genau genommen das Legat, ging es doch um eine konkrete Liegenschaft) ungültig?

Der Verstorbene hatte bereits zu Lebzeiten zwei Liegenschaften dem einzigen Sohn geschenkt. Auch mit dem dritten Grundstück war dies geplant. Der Sohn lehnte das aber ab, damit der Vater auch noch selbst Grundstücksvermögen hat. Und es schien ohnedies klar, dass der Sohn einmal alles erbt. Doch der ältere Mann, dessen Ehegattin schon verstorben war, sollte vor seinem Tod eine neue Beziehung eingehen. Die beiden verbrachten ihre Freizeit miteinander. Die Frau kochte für den Mann und pflegte ihn, wenn er krank war.

Kurz bevor eine Operation anstand, war der Mann mit Freundin bei einem Freund eingeladen. Dieser fragte den Mann, ob er für die Freundin vorgesorgt habe. Der Mann erklärte, dies nach der OP zu machen. Worauf der Freund einwarf, er solle das doch vorher machen. Am nächsten Tag schrieb der Mann seinen letzten Willen nieder, dem zufolge er die Liegenschaft der Freundin vermachte. Das Vermächtnis sandte er an einen befreundeten Notar. Samt Post-it mit der Aufschrift, dass der Notar das Testament „noch vertraulich verwahren“ solle, weil er mit dem Sohn „noch nicht gesprochen habe“.

Zu diesem Gespräch kam es nicht mehr. Zwar gab es nach der OP noch eine Unterredung zwischen Vater und Sohn, doch sie drehte sich nur um den Gesundheitszustand des Vaters. Später war der Vater nicht mehr ansprechbar und verstarb. Ohne, den Sohn je – wie im Post-it angedacht – informiert zu haben.

Bedingung via Aufkleber?

Die Freundin musste klagen. Das Bezirksgericht Wien-Hietzing entschied für sie. Das Post-it sei keine Anordnung oder Bedingung. Der Verstorbene habe nur die Veröffentlichung seines letzten Willens noch vom Gespräch mit dem Sohn abhängig machen wollen.

Das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen räumte dem Post-it mehr Bedeutung ein. Es sei eine selbstständige letztwillige Verfügung. Das Post-it besage, dass das Testament nur unter der Bedingung gilt, dass vorher ein Gespräch mit dem Sohn darüber geführt werde. Da dies nicht geschehen sei, könne dieser letzte Wille nicht gültig sein. Der Sohn erbe.

Nun lag es am Obersten Gerichtshof, den Fall zu lösen. Er versuchte, das Verhalten des Verstorbenen zu interpretieren. Dieser habe nach der Intervention des Freundes seine ursprüngliche Meinung geändert: Er habe nun die Liegenschaft an die Freundin vererben wollen. Dass er seinen letzten Willen noch vor der OP an den Notar sandte, zeige, dass er die Frau noch vor der OP absichern wollte.

OGH: Klar, was der Mann wollte

„Hätte er beabsichtigt, dass die Verfügung ohnedies erst nach einem Gespräch mit dem Sohn – und damit nach der Operation – wirksam wird, hätte überhaupt kein Grund für die vorherige Übersendung der letztwilligen Verfügung an den Notar bestanden“, meinte der Oberste Gerichtshof (8 Ob 69/14a). Die Freundin des Verstorbenen erhält die Liegenschaft.

Auf einen Blick

Der Oberste Gerichtshof musste klären, ob das Testament eines Mannes, der seiner Freundin ein Grundstück vererben wollte, gültig war. Hintergrund war ein Post-it, dem zufolge der Notar das Vermächtnis noch vertraulich verwahren sollte, weil der Mann mit seinem Sohn „noch nicht gesprochen habe“. Zu dem Gespräch kam es nie. Das Testament ist trotzdem gültig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2014)

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