Bibelstellen als Test: Höchstgericht schenkt Konvertiten mehr Glauben

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Befragung vor Gericht klärt, ob jemand ernsthaft Christ wurde und daher nicht in sein islamisches Land zurück kann. Höchstgericht fordert mehr Milde bei dieser Prüfung ein.

Wien. Ist ein Asylwerber aus innerem Antrieb zum Christentum konvertiert? Oder gibt er das nur vor, um nicht in sein islamisches Heimatland abgeschoben werden zu können? Das sind Fragen, die in Asylverfahren zu klären sind. Und zwei Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zeigen, dass die Unterinstanz hier manchmal zu streng agiert.

In einem aktuell vom VfGH geklärten Fall ging es um einen afghanischen Asylwerber. Er sei zum Christentum konvertiert und könne wegen der drohenden Verfolgung nicht mehr in seine Heimat zurückkehren, erklärte er. Und legte sein Taufzeugnis der iranischen christlichen Gemeinde in der Evangeliumsgemeinde Wien vor. Der Asylgerichtshof (inzwischen im Bundesverwaltungsgericht aufgegangen) versuchte, unter anderem mit diesem Dialog den Glauben zu testen:
Sie sind 2009 zum christlichen Glauben konvertiert. Warum?
Es gibt sehr viele Unterschiede zwischen dem christlichen und dem islamischen Glauben. Im Glauben an Jesus Christus findet man Rettung. Aus diesem Grund habe ich mich zur Konversion entschieden.
Ist Ihre Freundin auch Christin?
Ja.
Gehen Sie regelmäßig in den Gottesdienst?
Da ich in Salzburg einige Zeit einer Arbeit nachgegangen bin, bin ich nicht regelmäßig in die Kirche gegangen. Sonntags habe ich auch gearbeitet. Ich bete viel zu Hause.
Welcher Konfession gehört Ihre Freundin an?
Sie ist ist römisch-katholisch.
Geht sie öfters in den Gottesdienst?
Nein. Sie geht auch selten in die Kirche. Zu Neujahr bin ich mit ihrer gesamten Familie in einer Messe.
Kennen Sie die Unterschiede zwischen den Katholiken und den evangelischen Christen?
Ja.
Welche Unterschiede sind das?
Das Kirchenoberhaupt der Katholiken ist der Papst. Die Katholiken beten zuerst den Papst an. Der Papst betet für seine Anhänger. Er ist ein Mittelsmann zwischen Gott und den Gläubigen. Die Evangelischgläubigen beten direkt zu Gott.
Was haben Sie gelernt, was glauben Sie bezüglich der Mutter von Jesus?
Da ich Analphabet bin und nicht Persisch lesen kann, konnte ich mir nicht viele Informationen aneignen. Ich kenne nicht viele Unterschiede zwischen den Katholiken und den evangelischen Christen. Ich weiß, dass Maria die Mutter von Jesus Christus ist. Ich weiß auch von der unbefleckten Empfängnis. Ich weiß auch, dass Josef der Vater von Jesus ist.

Das Asylgericht konstatierte anhand dieser Antworten eine „lediglich fragwürdige Erklärung bezüglich des Verhältnisses der Gläubigen zum römisch-katholischen Papst“. Der Mann habe „nicht den Eindruck erwecken können, dass ihm die neue Religion ein besonderes Herzensanliegen bedeute würde“.

Der VfGH (U 2193/2013) widersprach: Die Antworten des Mannes „sind in den meisten wesentlichen Gesichtspunkten zutreffend“. Der Mann habe sich „nicht auf die Wiedergabe von leicht verfügbarem Faktenwissen beschränkt, sondern darauf berufen, dass der christliche Glaube für sein Leben eine tragende Bedeutung habe“. Es liege, auch dank Zeugenaussagen, „ein starkes Indiz für einen aus innerer Überzeugung erfolgten Religionswechsel vor“. Das Urteil des Asylgerichts wurde aufgehoben, im neuen Verfahren hat der Mann nun gute Chancen.

Steinigung erfunden, Glaube echt?

In einem anderen Fall hatte ein Iraner behauptet, ihm drohe im Iran die Steinigung, weil er ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau gepflegt habe. Eine Lüge, wie der Iraner selbst zugab, nachdem der Asylantrag abgewiesen worden war. Nun erklärte er aber, dass er sich in der Evangelikalen Freikirchlichen Gemeinde Mödling habe taufen lassen und zum Christentum konvertiert sei. Bei der Befragung ging das Asylgericht ins Detail:
Wann haben Sie zuletzt in der Bibel gelesen?
Gestern in der Nacht.
Welche Stelle haben Sie gelesen?
Philipian.
Erzählen Sie den Inhalt.
Es waren die Verse 4.6. Macht euch um nichts Sorgen, das was ihr wollt, betet zu uns und seid dankbar für alles, was ihr euch wünscht, wird in Erfüllung gehen.
Wo findet man diese Verse?
Im Neuen Testament, „Philipian“ Verse4, Teil6.

Trotzdem entschied das Asylgericht gegen den Mann. Er habe nicht ausreichend dargelegt, warum er nach viereinhalb Jahren Verfahrensdauer und erst nach dem negativem Asylbescheid dem Thema Religion Bedeutung zumesse. Das Faktenwissen über das Christentum sei für den Mann „leicht verfügbar und für eine intellektuellen Menschen ohne großen Aufwand erlernbar“.

Auch hier ortete der VfGH Willkür der Vorinstanz (U 2272/2012): So habe der Asylwerber ja sogar einige Stellen aus der Bibel zitiert. Das Asylgericht habe nicht ausreichend dargelegt, warum der Glaubenswechsel hier nicht aus innerer Überzeugung erfolgt sei. Auch sei nicht ausreichend ermittelt worden, ob der Mann im Iran als Christ Verfolgung zu fürchten habe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2015)

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