Seegrundstück gekauft: Trotzdem dürfen Fremde baden

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Eine Frau kaufte einer Gemeinde eine Parzelle ab und handelte sich ungewollt Mitbenutzer ein. Bei Höchstgericht blitzte sie ab.

Wien. Der Traum vom eigenen Stück Seeufer hat wohl anderes verheißen. Eine Frau kaufte einer niederösterreichischen Gemeinde eine Parzelle an einem Badesee mit direktem Zugang zum Wasser ab und wollte diesen für sich allein haben. Die eigenwillige rechtliche Situation in einem vermeintlichen Erholungszentrum bewirkt aber einigen Stress: Denn ein anderer Bewohner der Anlage, der schon davor ein Häuschen in der zweiten Reihe für 50 Jahre gemietet hatte, darf mit seiner Familie den Badeplatz der Frau weiter benützen. Wie der Oberste Gerichtshof bestätigt, ist die neue Eigentümerin ungewollt neben der Gemeinde als Vermieterin in den Vertrag mit dem Herrn aus Reihe zwei eingestiegen (4 Ob 83/15g).

Die Gemeinde hatte bei der Errichtung des Erholungszentrums etliche Grundstücke vermietet. Später wurden Parzellen auch verkauft. Für diejenigen, die nicht ohnehin direkt am Wasser residierten, wurden gemeinsame Badeplätze eingerichtet. Diese durften nach freier Wahl zum Schwimmen und Bootsfahren benützt werden. Dabei bildete sich eine gewisse Gewohnheit heraus, wonach jeder seinen Lieblingsplatz hatte.

Der Lieblingsplatz des Mannes gefiel auch der Frau. Ihr Ehegatte ist Eigentümer eines Bungalows ebenfalls abseits des Ufers, und sie wollte den Badeplatz dazukaufen. Da dieser aber der Lieblingsplatz vieler Mitbewohner war, die darum zu kämpfen bereit waren, musste die Gemeinde den Plan fallen lassen, den ganzen Platz zu verkaufen. Sie teilte ihn, sodass den Mitbewohnern ein beengtes Stückchen bleiben und die Frau den größeren Teil erhalten sollte. Und zwar lastenfrei.

Neuer Zaun musste wieder weg

Das meinten jedenfalls die Gemeinde und die Frau. Doch bald musste die Frau nach einer Besitzstörungsklage ihren eben erst errichteten Zaun wieder wegräumen. Dann scheiterte sie auch noch mit der Klage auf Feststellung, dass der wehrhafte Mitbewohner „ihr“ Grundstück nicht benützen darf.

Warum? Sie trat gemäß dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch als Käuferin in den Mietvertrag ein, den die Gemeinde mit dem Nachbarn bis 2031 abgeschlossen hatte. Zu dem Mietvertrag gehört auch das Recht des Mieters, den Badeplatz zu nutzen. Theoretisch stünde, ebenfalls nach ABGB, der eintretenden Vermieterin ein kurzfristiges Kündigungsrecht zu, aber nur in dem Ausmaß, wie es im teilweise übernommenen Mietvertrag verankert war. Eine Teilkündigung nur der Badeplatznutzung sah der Vertrag aber nicht vor, also bleibt die Übernehmerin an den Vertrag gebunden.

Der Herr aus Reihe zwei und die anderen Mitbewohner in gleicher Lage dürfen daher den Badeplatz unverändert weiter benützen. Der freie Zugang zum See war ja von essenzieller Bedeutung und lag dem Geschäftsmodell des Erholungszentrums zugrunde. Der Frau bleibt wohl nur, sich entweder damit abzufinden und von der Gemeinde einen Teil des Mieterlöses zu verlangen oder sich auf den Rechtsmangel beim Kauf zu berufen: Von der versprochenen Lastenfreiheit ist ja keine Spur. Sie könnte von der Gemeinde verlangen, den Vertrag zu erfüllen (z. B. indem sie den Herrn „auszahlt“), oder zwischen Preisminderung und Rückabwicklung wählen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2015)

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