Neues Arbeitsrecht bringt Verschärfung statt Flexibilisierung

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Die Koalition schafft kaum Erleichterungen für Unternehmen.

Wien. 60.000 neue Arbeitsplätze verspricht der Arbeitsmarktgipfel der Bundesregierung. Die präsentierten Änderungen im Arbeitsrecht werden dazu aber nichts beitragen: Dort gibt es (fast) ausschließlich Verschärfungen.

Die Regierung hatte es wohl eilig: groß inszenierter Gipfel mit den Sozialpartnern am 30. Oktober, am selben Tag geht der Gesetzesvorschlag in die Begutachtung, deren Frist morgen endet, am 1. Jänner sollen die neuen Regeln bereits in Kraft treten. Eine Rechtfertigung für die Eile ist aber nicht auszumachen.

All-In-Klauseln. Die wichtigste Neuerung betrifft die viel diskutierten „echten“ All-In-Klauseln in Dienstverträgen. Diese sehen vor, dass das vereinbarte Gesamtentgelt alle Entgeltansprüche des Arbeitnehmers abdeckt. Überstunden sind grundsätzlich separat auszubezahlen, sobald sie im Jahresschnitt nicht mehr durch das All-In-Entgelt abgedeckt sind. Nach der Judikatur ist für die zur Feststellung der Überstundendeckung notwendige Vergleichsrechnung der kollektivvertragliche Mindestlohn heranzuziehen. Vielfach kritisiert wird aber, dass der Grundlohn für Arbeitnehmer intransparent sei und daher nicht oder nur schwer erkennbar sei, wie viele Überstunden das All-In-Entgelt tatsächlich abdeckt. Das würde viele Mitarbeiter davon abhalten, ein Zusatzentgelt für Überstunden einzufordern.

Diese unbefriedigende Situation soll nun behoben werden, indem der Arbeitgeber zur Nennung des Grundlohns im Arbeitsvertrag oder Dienstzettel verpflichtet wird. Bei einem Verstoß soll der Arbeitnehmer Anspruch auf jenen Grundlohn (samt branchen- und ortsüblicher Überzahlung) haben, der am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt (den sog. Ist-Grundlohn). Unternehmen kommen damit unter Zugzwang: Fehler in der Vertragsgestaltung können künftig zu einer gesetzlich angeordneten Erhöhung des vereinbarten Lohns führen. Eine automatische Verteuerung der Mitarbeiter, mangelnde Planungssicherheit bei den Personalkosten und bei einer Unterentlohnung sogar Verwaltungsstrafen können die Folge sein. Dazu kommt, dass der nicht sehr aussagekräftige Verweis auf „vergleichbare“ Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber die Ermittlung des Ist-Grundlohns schwierig macht.

Aus Arbeitgebersicht wird die Neuregelung vermutlich dazu führen, dass in Dienstverträgen schlicht der kollektivvertragliche Mindestlohn als Grundlohn genannt wird. Dadurch wird vertragliche Klarheit und gleichzeitig für Überstundenarbeit der maximal mögliche Spielraum geschaffen. Offen ist allerdings, ob Gerichte und Behörden das akzeptieren werden. Das Gesetz nimmt nämlich auf kollektivvertragliche Rechtsquellen (bewusst?) nicht Bezug.


Konkurrenzverbote. Die Novelle soll ferner nachvertragliche Wettbewerbsverbote auf Arbeitnehmer in gehobener Position beschränken. Solche Verbote sollen nur noch bei einem Monatslohn von mindestens dem 20-Fachen der täglichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage zulässig sein, also erst ab einem monatlichen Bruttogehalt von 3240 Euro (Wert für 2016). Sonderzahlungen sind bei der Berechnung der Entgeltgrenze außer Acht zu lassen. Außerdem soll die Konventionalstrafe für einen Verstoß gegen eine Konkurrenzklausel mit sechs Nettomonatsentgelten begrenzt werden.


• Informationspflicht. Wenn Arbeitgeber planen, eine Stelle mit höherem Arbeitszeitausmaß auszuschreiben, sollen sie zur aktiven Information der im Betrieb beschäftigten Teilzeit-Mitarbeiter verpflichtet sein. Das soll ihnen die Möglichkeit geben, Stunden aufzustocken. Bei Gesetzesverstößen drohen Verwaltungsstrafen.


• Ausbildungskosten. Die Frist für die Rückforderung von Ausbildungskosten durch den Arbeitgeber soll von fünf auf vier Jahre verkürzt werden. Außerdem muss der Rückerstattungsbetrag künftig nach Monaten aliquotiert werden. Weiters sollen Arbeitnehmer Anspruch auf eine Kopie der Anmeldung zur Sozialversicherung sowie auf monatliche Übermittlung der Lohnunterlagen haben.


• Arbeitszeit. Schließlich soll es bei aktiver Reisezeit zur Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden (sowie auf zehn Stunden für über 16-jährige Lehrlinge) kommen – und dies ist auch die einzige Erleichterung für Unternehmen, die der Arbeitsmarktgipfel hervorgebracht hat.


Rechtsanwalt Dr. Philipp Maier, LL.M., ist Partner bei Baker & McKenzie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2015)

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