Wenn Schiedsrichter Kriege verhindern

Die Diskutierenden v. l. n. r.: Christoph Schreuer, Susanne Wixforth, Benedikt Kommenda (Moderation), Paul Oberhammer, Anton Baier und Matthias Neumayr.
Die Diskutierenden v. l. n. r.: Christoph Schreuer, Susanne Wixforth, Benedikt Kommenda (Moderation), Paul Oberhammer, Anton Baier und Matthias Neumayr.Die Presse
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Das geplante Freihandelsabkommen TTIP bringt Schiedsgerichte in Verruf. Dabei bieten sie einige Vorteile: Sie fördern Investitionen und damit Innovation. Eine Diskussion im Rahmen des Rechtspanoramas am Juridicum.

Wien. Die Schiedsgerichtsbarkeit hat eine lange Tradition. Zu ihren Meilensteinen zählt die Lösung der „Alabamafrage“ zwischen den USA und Großbritannien nach dem Sezessionskrieg im Jahr 1872, die sich im Kern um Kaperschiffe drehte. Zu ihren Eigenheiten gehört aber auch, dass kaum über sie diskutiert wurde – zumindest, solange das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) noch kein Thema war.

Dabei war die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, die auf Verträgen zwischen ausländischen Investoren und dem Gaststaat bzw. zwischen zwei Staaten fußt (während die private Handelsschiedsgerichtsbarkeit auf Verträgen zwischen Unternehmen beruht), stets präsent: Weltweit gibt es rund 3300 zweiseitige Investitionsschutzabkommen, das bedeutet, „dass 6600 Mal Staaten solche Abkommen unterfertigt haben“, sagte Anton Baier, Präsident des Wiener Internationalen Schiedsgerichts VIAC, beim letztwöchigen „Rechtspanorama am Juridicum“. Davon seien 200 Investitionsabkommen zwischen EU-Ländern, auf Österreich entfallen momentan 62 Vereinbarungen. „So schlecht kann das also nicht sein.“

„Mit Demokratie unvereinbar“

Ein Befund, den Susanne Wixforth von der Abteilung für Wirtschaftspolitik der Arbeiterkammer Wien wenig abgewinnen konnte. Die Juristin ließ stattdessen mit drei Thesen aufhorchen: „Erstens, Investitionsschiedsgerichtsbarkeit ist mit den Grundpfeilern einer demokratischen Gemeinschaft nicht vereinbar. Zweitens, Investitionsschutz ist unvereinbar mit EU-Recht. Drittens, Investitionsschutz diskriminiert nationale Unternehmen.“ Ihr Fazit: „Eine Reform ist notwendig.“ Zur Untermauerung insbesondere ihrer zweiten These nannte Wixforth einen rumänischen Fall: Das Land hatte einem Brüderpaar zur Belebung einer unterentwickelten Region Steuervorteile eingeräumt, seine Zusage aber vorzeitig zurückgezogen. Die Brüder klagten, ein Schiedsgericht verurteilte das Land zu einer Entschädigung von 106 Mio. Euro. Daraufhin erklärte die EU, der Schiedsspruch würde dem Beihilfenrecht widersprechen. Wixforth: „Damit steht Rumänien vor einem völkerrechtlichen Dilemma.“

Christoph Schreuer ließ die Kritik so nicht gelten. „Der Schiedsspruch befindet sich nun in Überprüfung“, betonte der emeritierte Völkerrechtler, der in der Causa zeitweise selbst tätig war. Und: „Die Klage passierte vor Rumäniens EU-Beitritt, der Schiedsspruch fiel nach dem Beitritt.“ Daher habe sich die Europäische Union eingemischt.

Überhaupt, so Schreuer, dienten Schiedsgerichte der Entpolitisierung von Konflikten, wogegen es noch „im 19. Jahrhundert über 40 Militärinterventionen zum Schutz von Investitionen gegeben hat“. Das durch Schiedsgerichte verbesserte Klima fördere in der Folge auch Investitionen. Den von Kritikern häufig genannten Vorschlag, die Arbeit von Schiedsrichtern an staatliche Gerichte abzugeben, lehnte Schreuer, selbst öfter Schiedsrichter, ab. „In großen Teilen der Welt gibt es keine unabhängigen Gerichte“, sagte er. Die Urteile würden daher „in dubio pro patria“ ausfallen.

Verhandlungen live übertragen

Paul Oberhammer, Dekan der Jusfakultät der Uni Wien, betonte ebenfalls, wie wichtig der Schutz von Investitionen sei: „Wer gegen Investitionen ist, ist gegen Innovation.“ Und er unterstrich die Transparenz von Schiedsverfahren: „Denken Sie an Urteile oder Revisionen in staatlichen Verfahren – da ist fast nichts einsehbar.“ Weiters betonte er: „Es handelt sich bei einem Schiedsverfahren nicht um einen magischen Mechanismus der ,Alternative people‘ des europäischen Handels.“ Schiedsrichter würden weder Mediationen abhalten, noch „über den Daumen“ entscheiden. Tatsächlich erfolge stets eine „extrem aufwendige Beweisaufnahme“, um dann – fußend auf staatlichem Recht – Schiedssprüche fällen zu können. Baier verwies auf Statistiken des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), die belegten, wie effizient und nachvollziehbar gearbeitet werde: Schiedssprüche werden im Internet veröffentlicht, Verhandlungen können leicht zeitversetzt online mitverfolgt werden.

Matthias Neumayr, Hofrat am OGH und Mitglied des für private Handelsschiedssachen zuständigen Senats, meint indes, dass sich „eine Schiedsgerichtsbarkeit an der Benchmark der staatlichen Gerichtsbarkeit messen lassen muss“. Zwar beobachte er, dass Schiedsverfahren oft kürzer dauerten, allerdings böten staatliche Gerichte den Vorteil mündlicher Verfahren.

Einen Konsens fanden die fünf Diskutanten schließlich doch: Der Vorschlag von EU-Kommissarin Cecilia Malmström, die anlässlich TTIP einen „europäischen Schiedsgerichtshof“ etablieren möchte, entspricht nicht ihren Vorstellungen. Schreuer resümierte: „Hier ist einiges verbesserungswürdig.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2015)

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