Fahrerflucht in Deutschland: OGH hilft österreichischem Opfer

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Der Lenker aus Österreich wurde auf der deutschen A3 in die Leitplanke gedrängt: Der Versicherungsfachverband muss nach österreichischem Recht für den Schuldigen einspringen.

Wien. Wer in Deutschland Opfer eines fahrerflüchtigen Lenkers wird, hat es als Österreicher besser denn als Deutscher. Das zeigt der Fall eines österreichischen Autofahrers, der auf der deutschen Autobahn A3 wegen eines anonym gebliebenen anderen Fahrers in einen Unfall verwickelt war und den Versicherungsverband Österreich auf Schadenersatz klagte. Wie der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied, richtet sich sein Ersatzanspruch nach dem für Fahrerfluchtopfer günstigeren österreichischen Recht und nicht nach dem deutschen. Schmerzengeld steht dem Mann und seinem Beifahrer daher jedenfalls zu, sagt der OGH (2 Ob 40/15v).

Der Mann war 2012 auf dem mittleren Fahrstreifen unterwegs, als ein Auto ihn vom rechten Fahrstreifen kommend schnitt. Um, wie er meinte, eine Kollision zu vermeiden, wich er nach links aus. Er kam ins Schleudern, prallte gegen die Leitplanke und wurde durch einen nachfolgenden Pkw gerammt. Abgesehen vom Totalschaden am Auto erlitt er Brüche, Prellungen und eine Zerrung an der Brust bzw. im linken Knie. Sein Beifahrer wurde leichter verletzt. Der Verursacher war indessen spurlos verschwunden.

Für solche Fälle ist in der EU vorgesehen, dass eine Entschädigungsstelle einspringt und das zahlt, was sonst die gegnerische Haftpflichtversicherung zu zahlen hätte. Der Umfang des Ersatzes kann allerdings in gewissen Grenzen länderweise unterschiedlich geregelt sein. Reine Sachschäden – für die sich viele eine Vollkaskoversicherung nehmen – sind in Deutschland wie auch in Österreich ausgenommen. Bei Personenschäden differieren die beiden Rechtsordnungen stark: In Österreich sind sie ohne Einschränkung zu ersetzen, in Deutschland gibt es hingegen Schmerzengeld (und nicht auch Heilungskosten) nur bei einer „besonders schweren Verletzung“. Die deutschen Gerichte verlangen dafür deutliche und drastische Dauerfolgen wie Querschnittslähmungen, den Verlust von Sinnesorganen oder entstellende Narben. Der mit 500 Euro höhere Selbstbehalt (Österreich: 220 Euro) für Sachschäden, die mit schweren Verletzungen einhergehen, fällt demgegenüber noch harmlos aus.

In zwei Instanzen abgeblitzt

Das Bezirksgericht Innere Stadt und das Landesgericht für Zivilrechtssachen beurteilten die Klage des Mannes nach deutschem Recht und lehnten eine Ersatzpflicht der Entschädigungsstelle ab. In Österreich ist das präzise der Fachverband der Versicherungsunternehmen und nicht, wie der Kläger dachte, der Versicherungsverband Österreich. Er ist zuständig für Verkehrsopfer mit Wohnsitz in Österreich. Und an diese Zuständigkeit ist laut OGH die Anwendbarkeit der (günstigeren) österreichischen Schutzbestimmungen geknüpft. Der Anspruch des Klägers gegen den Fachverband ist „grundsätzlich nach den Bestimmungen des Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetzes zu beurteilen“, heißt es im OGH-Beschluss. Bloß die Vorfrage, ob der Fahrerflüchtige sich schadenersatzpflichtig gemacht hat, ist nach dem Recht des Unfallorts zu beantworten.

Die Sache geht nun nochmals in die erste Instanz, wo die einzelnen Schadenspositionen zu prüfen sind. Was der Fachverband zu zahlen hat, kann er sich übrigens von seinem deutschen Pendant zurückholen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2015)

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