Wiener ÖVP sagt „Gefährdern der Leitkultur“ den Kampf an

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PARTEIENGESPR�CHE SP� - �VP IM WIENER RATHAUS: BL�MEL(c) HELMUT FOHRINGER / APA / picturedsk
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In der Partei kursiert das erste, bisher geheime Papier zur Reform der Leitlinien und der Organisation. Internen Sesselklebern wird der Kampf angesagt – und Gefährdern der Leitkultur.

Wien. Parteichef Gernot Blümel verordnet seiner klein gewordenen Truppe namens Wiener ÖVP, sich „laut, klar und unmissverständlich“ den tatsächlichen Herausforderungen zu widmen. Jedenfalls findet sich diese Ansage im ersten, bisher noch nicht veröffentlichten Arbeitspapier zur angekündigten Reform, das fünf Wochen vor dem Parteitag am 17. März intern zirkuliert. Und nicht bei allen Funktionären auf Applaus stößt.

Denn das neue Leitbild und der Vorschlag für die Statutenrunderneuerung fordert die Stärkung des Leistungsgedankens. Nicht nur für andere, auch für die eigenen Funktionäre. Mandate sollen auf Basis von Bürgerkontakten und Vorzugsstimmen vergeben werden. Und, besonders heikel: Das Papier wendet sich explizit auch gegen „Sesselkleber“ in den eigenen Reihen.

So soll laut den Wünschen des ÖVP-Reformkonzepts nach zwei Perioden einer Parteifunktion aber auch eines Mandats (beispielsweise im Gemeinderat oder im Bezirksparlament) eine Hürde aufgestellt werden: Dann sind für die Weiterbeschäftigung zwei Drittel der Stimmen des entsendeten Gremiums erforderlich– und das in einer schriftlichen, geheimen Wahl. Direkt Betroffene sind von der Teilnahme an dieser Abstimmung über sich selbst ausgeschlossen. Ab Montag soll das Papier in den Bezirksorganisationen diskutiert werden. Wie gesagt: Viel Zeit bleibt bis 17. März, wenn die Statuten vom Landesparteitag beschlossen werden sollen, dafür nicht mehr.

Eine weitere Vorgabe betrifft die gezielte Förderung von Frauen. Neben dem Bekenntnis zum Reißverschlusssystem (die Kandidatenreihung erfolgt abwechselnd zwischen Männern und Frauen bzw. umgekehrt) bei der Erstellung von Listen für Wahlen will die Wiener ÖVP alle (Unter-)Organisationen dazu verpflichten, dass zu Parteitagen mindestens 40 Prozent weibliche Teilnehmer entsendet werden. Bei allen Wahlen in Gremien müssen nach den zur Diskussion gestellten Vorgaben zumindest 40 Prozent Frauen berücksichtigt werden, angestrebt wird eine Geschlechterparität.

„Kehren zurück“

Inhaltlich will die Wiener ÖVP, wie es zunächst eher unbestimmt heißt, „mit Vision in die Zukunft statt mit Realitätsverweigerung an den Abgrund“ gehen. Unter dem Titel „Wir kehren zurück ins Leben der Menschen“ wird als Credo das Eintreten für persönliche Freiheit und Selbstbestimmung, die Wertschätzung von Leistung und „echter“ Solidarität formuliert, „wo Gerechtigkeit nicht mit Gleichmacherei verwechselt wird“.

Sicherheit und Freiheit werden als die Grundpfeiler einer werteorientierten, bürgerlichen Politik definiert. Und das Papier scheut sich auch nicht, den Begriff Leitkultur zu verwenden. Diese gründe eben auf Freiheit und Sicherheit. Prononciert geht es dann im Papier weiter: „Wir kämpfen in dieser Stadt für so viel Freiheit wie möglich und so viel Ordnung wie nötig. Wir zeigen null Toleranz gegenüber allen Ansätzen, die unsere Freiheit einschränken und unsere gelebte Leitkultur infrage stellen oder gefährden.“

Die Selbstbeschreibung der Ausgangslage für die Wiener ÖVP fällt übrigens schonungslos aus: Die Partei verfüge über „viele Selbstbeschäftigungsgremien“, die Strukturen gestalteten sich in der Wahrnehmung als „verstaubt und starr“. Der Organisation fehle die Kampagnenfähigkeit, Interessenten und neue Zielgruppen stünden vor Barrieren und Hemmschwellen. Insgesamt verfüge die ÖVP über die Strukturen einer Großpartei – bei Wahlergebnissen einer Kleinpartei. Beim jüngsten Urnengang im Herbst 2015 war der Prozentsatz der Zustimmung erstmals in der Geschichte für die ÖVP einstellig und lag bei 9,3 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2016)

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