Mörder zahlen keinen Unterhalt

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Sträflinge müssen mangels Einkommens keine Alimente leisten. Selbst, falls der Unterhalt das Tatmotiv war.

Wien. Ist man von seinen Unterhaltsleistungen befreit, wenn man wegen eines Verbrechens im Gefängnis sitzt? Auch dann, wenn die Haft daraus resultiert, dass der Täter Familienmitglieder umbringen wollte, um keine Alimente mehr zahlen zu müssen? Diese Fragen galt es, vor Gericht zu klären. Ein zu einer Haftstrafe verurteilter Vater wollte nicht mehr zahlen, der Sohn aber bestand auf die Alimente.

Der Vater war laut Anklage im Juli 2014 in die Wohnung seiner Exfrau in Oberösterreich eingebrochen. Dort habe er sie und seine Kinder im Alter von zehn, 13 und 18 Jahren erst betäuben, dann mit einem Messer töten und schließlich Feuer legen wollen. Alles sollte so aussehen, als hätte der älteste Sohn die Tat begangen und sich selbst getötet. Das Motiv des Vaters soll ein Alimente-Rückstand von 32.000 Euro gewesen sein.

Der Plan des Angeklagten, der vor der Polizei gestand, im Prozess aber auf unschuldig plädierte, scheiterte. Der Frau gelang es, ihren Exmann in die Flucht zu schlagen. Schuldig gesprochen wurde dieser schließlich wegen versuchten Mordes an der Ehefrau. Freigesprochen hingegen vom Vorwurf, er habe auch seine Kinder umbringen wollen.

Dem ältesten Sohn müsste der Vater monatlich 630 Euro Unterhalt zahlen. Zu diesem Betrag hatte sich der Vater ein Jahr vor seinem Mordversuch verpflichtet. Der Mann beantragte aber, den Betrag herunterzusetzen, schließlich sogar, dass er nun gar nichts mehr zahlen müsse. Schließlich sitze er ja in Haft und habe dementsprechend wenig Verdienstmöglichkeiten. Der Sohn wandte ein, sein Vater sitze in Haft, weil er die Mutter ermorden wollte. Das dürfe doch nicht dazu führen, dass der Mann keinen Unterhalt an die Kinder mehr leisten müsse.

Die Gründe für die Haft würden keine Rolle spielen, meinte das Bezirksgericht Traun. Der Unterhaltsanspruch des Sohnes ruhe, während der Vater im Gefängnis sitze.

Das Landesgericht Linz hatte angesichts dieser Entscheidung Bauchweh. Es erinnerte daran, dass der Vater in seiner Einvernahme als Beschuldigter angegeben hatte, er habe sich seiner Alimentezahlungen entledigen wollen, indem er alle Unterhaltsberechtigten umbringt. Wenn aber jemand absichtlich seine Unterhaltszahlungen vereiteln wolle, könnten die Alimente unter bestimmten Umständen nach einem fiktiven Einkommen bemessen werden. Das Erstgericht möge daher klären, ob der Mann tatsächlich morden wollte, um seine Unterhaltspflichten loszuwerden.

Unterhalt: „Kein pönaler Charakter“

Der vom Vater angerufene Oberste Gerichtshof (OGH) aber widersprach. Wenn jemand aus triftigen Gründen wie etwa Krankheit, Haft oder Schwangerschaft nicht erwerbstätig sein kann, dürfe man ihm auch kein potenzielles Einkommen unterstellen. Die Art des begangenen Delikts ändere nichts daran, dass einem Gefängnisinsassen die Teilnahme am Arbeitsmarkt nicht möglich sei. Der Unterhaltsfestsetzung käme nämlich sonst „ein rein pönaler Charakter zu, der sich aber aus dem Unterhaltsrecht nicht ableiten lässt“, befand der OGH (8 Ob 78/15a).

Die Höchstrichter stellten das Urteil des Bezirksgerichts wieder her. Der Sohn bekommt keine Alimente vom Vater, solange dieser im Gefängnis sitzt. Und das kann dauern, wurde er doch zu elf Jahren Haft verurteilt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.02.2016)

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