Letzter Wille: Todkranker muss Zeugen suchen

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Wenn es dem Ende zugeht, darf man nicht einfach ein mündliches Testament verkünden. Entscheidend ist, ob man noch genug Zeugen für ein schriftliches finden könnte.

Wien. Will man Streitigkeiten um sein Erbe verhindern, darf man mit den Formvorschriften nicht leichtfertig umgehen. Das zeigt ein aktueller Rechtsfall. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob schon die Voraussetzungen für ein mündliches Nottestament gegeben waren.

Der Mann, der sein Hab und Gut vermachen wollte, wusste, dass es nicht gut um ihm stand. Er war selbst Arzt, nun lag er aber als Patient im Krankenhaus. Seine Lebensgefährtin, eine Richterin, wusste jedoch nicht auf Anhieb, wie man in so einer Situation ein gültiges Testament errichtet. Sie ging nach Hause, schaute in juristischen Büchern nach. Und erzählte dem Mann am Tag darauf, dass er ein mündliches Nottestament errichten dürfe.

Ein mündliches Testament darf man seit dem Jahr 2005 nur mehr in einer Notlage errichten. Die alte Regel, die mündliche Testamente ohne Ausnahmesituation erlaubt hatte, wurde abgeschafft, weil die Missbrauchsgefahr zu groß war. Droht aber „unmittelbar die Gefahr, dass der Erblasser stirbt oder die Fähigkeit zu testieren verliert“, dann, so sagt das Gesetz, könne man auch jetzt noch ein mündliches Testament errichten.

Dafür benötigt man nur zwei Zeugen. Im Gegensatz zu einem regulären, von fremder Hand verfassten Testament, das der Erblasser unterschreibt. Dafür benötigt man drei Zeugen. An ein vom Betroffenen komplett handschriftlich verfasstes Testament (für das man keinerlei Zeugen benötigt) war nicht zu denken, dafür war der Mann zu schwach.

Doch wenn er nicht schlief, war er geistig voll da. Er äußerte selbst auch die Vermutung, dass er wohl die Intensivstation nie mehr verlassen werde. Er konnte nicht mehr selbstständig essen und mit seinen geschwollenen Händen keine längeren Texte oder auch nur einzelne Sätze schreiben. Sehr wohl gelang es ihm im Spital aber, die Hausordnung zu unterschreiben. Einen Tag, nachdem ihm seine Lebensgefährtin die Modalitäten für ein Nottestament erklärt hatte, schritt der Mann zur Tat. Er hatte Besuch von seiner Schwester, einem Freund und dem Freund der Schwester bekommen. In Anwesenheit der beiden Männer erklärte der Mann, testieren zu wollen. Und sagte, dass sein Neffe und seine Nichte alles erben sollten. „Sonst soll niemand etwas bekommen“, sprach der Mann. Acht Tage später starb er.

Nun gab es aber auch ein älteres, eigenhändiges Testament des Mannes. Darin hatte er noch erklärt, dass seine Schwester und sein Bruder lebenslänglich zu gleichen Teilen die Einkünfte aus seiner Gesellschaft, einer OEG, erhalten sollen. Grundsätzlich schlägt das jüngere das alte Testament, aber nur, wenn es gültig errichtet wurde. Für die Schwester des Verstorbenen ging das neue Testament in Ordnung, waren doch ihre beiden Kinder die nun Bedachten. Der Verlierer des neuen Testaments, der Bruder, klagte aber. Und verlangte die Feststellung, dass das Nottestament ungültig sei, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen.

Das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen gab dem Kläger recht. Möge der Gesundheitszustand des Patienten auch kritisch gewesen sein, so habe doch keine akute Lebensgefahr bestanden. Das habe selbst der später Verblichene so gesehen, der seinen letzten Willen nicht sofort, nachdem er von der Möglichkeit eines Nottestaments unterrichtet worden war, erklärte. Es wäre dem Mann möglich gewesen, ein von einer anderen Person geschriebenes, reguläres Testament zu unterfertigen. Schreibutensilien und mögliche Zeugen gebe es im Spital genug. Alternativ hätte der Mann auch noch einen Notar rufen können, befand das Landesgericht.

Das Oberlandesgericht Wien sah hingegen die Voraussetzungen für ein mündliches Nottestament gegeben. Dafür reiche eine ernstliche Todesgefahr. Und der Mann habe auf die juristische Meinung seiner Lebensgefährtin vertrauen müssen, laut der das Nottestament hier zulässig wäre.

Findet man im Spital genug Zeugen?

Für den Obersten Gerichtshof (OGH) ist der springende Punkt die Frage, ob es dem Mann gelungen wäre, drei Zeugen aufzutreiben (die man für ein fremdhändig geschriebenes Testament gebraucht hätte, das der Mann nur hätte signieren müssen). Der Mann konnte zwar einerseits sein Bett nicht verlassen, andererseits bekam er regelmäßig Besuch und war von Spitalspersonal umgeben. Und er konnte sich noch äußern und unterschreiben oder Handzeichen machen. Einen Zeugen zu suchen wäre ihm jedenfalls zumutbar gewesen, befand der OGH (2 Ob 86/15h).

Geprüft werden muss laut OGH aber noch, ob es dem Mann auch gelungen wäre, einen passenden dritten Zeugen zu finden. Einen, der nicht von dieser Funktion ausgeschlossen ist, weil er selbst im letzten Willen begünstigt wird oder mit einem Nutznießer verwandt ist. Diese Frage muss nun noch die Unterinstanz klären. Die Beweislast dafür, dass mangels genügend Zeugen nur noch ein Nottestament möglich war, werde hier Nichte und Neffe treffen, sagte der OGH. Also jene, die vom Nottestament profitiert haben.

AUF EINEN BLICK

Der Oberste Gerichtshof betont in einem aktuellen Fall den Ausnahmecharakter eines mündlichen Testaments. Auch wenn man todkrank im Spital liegt, kann man nicht einfach ein mündliches Nottestament machen, sofern keine akute Lebensgefahr besteht. Es ist zumutbar, drei Zeugen zu suchen, die man für ein fremdhändiges, schriftliches Testament benötigt. Zumal es in einem Spital potenzielle Zeugen gibt. Nur wenn die Suche nach drei Zeugen nicht gelingen konnte, wäre das mündliche Nottestament (vor nur zwei Zeugen) zulässig. Die Beweislast trifft den, der vom Nottestament profitieren würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2016)

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