Warnung nicht vor jedem Schmerz nötig

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Patientin erhält keinen Schadenersatz, obwohl sie Ungemach verspürte. Zahnarzt musste nicht sagen, dass auch bei korrekter Behandlung Probleme möglich sind.

Wien. Der Zahnarzt habe es nicht geschafft, eine Prothese anzufertigen, die keine Schmerzen verursacht, klagte die Patientin. Er habe dreimal die Prothese angefertigt, aber nie habe sie der Frau gepasst, erklärte der Zahnarzt. Die Frage, wer jetzt für die Kosten aufkommt und ob die Patientin ein Recht auf Schmerzengeld hat, galt es nun vor Gericht zu klären.

Für die Schmerzen, die die Frau beim Tragen der Metallgerüstprothese verspürt, gibt es keine äußerlich erkennbare Ursache. Die Patientin leidet an einem atypischen Gesichtsschmerz, der auf eine Somatisierungsstörung zurückgeht. Bei einer derartigen Störung können auch nach einer korrekt durchgeführten Behandlung unvorhersehbare und wiederkehrende Schmerzen auftreten. Der Zahnarzt hatte nicht darauf hingewiesen, dass trotz korrekter Behandlung so etwas möglich sei. Er hatte bloß erklärt, dass ein Fremdkörpergefühl möglich sei.

Die Patientin klagte Schmerzengeld in Höhe von 10.000 Euro ein, zudem forderte sie den Arzt auf, das Honorar zurückzuzahlen und die Kosten für eine neue Aufbissschiene zu übernehmen. Insgesamt ging es um rund 15.000 Euro.

Das Landesgericht Linz wies die Klage ab. Die Frau hätte sich nämlich selbst bei entsprechender Aufklärung für die Prothese entschieden. Daher sei nicht relevant, ob der Zahnarzt darüber hätte informieren müssen, dass selbst bei sorgfältigster Behandlung massive Schmerzen bei der Patientin möglich seien. Das Oberlandesgericht Linz bestätigte das Urteil.

Die Somatisierungsstörung der Frau stelle eine Anomalie dar, betonte der Oberste Gerichtshof (OGH). In diesem Fall wäre „eine Aufklärungspflicht nur dann zu bejahen, wenn diese Störung bei einer größeren Anzahl von Menschen auftritt“, meinten die Höchstrichter. Oder wenn etwa der Patient den Arzt extra auf eine solche Störung bei sich aufmerksam gemacht hat. Dies war aber nicht der Fall. Und „über Behandlungsrisken, die sich nur ganz selten und unter ganz bestimmten Umständen verwirklichen, ist nicht aufzuklären“, erklärte der OGH (1 Ob 39/16s). Die Frau ist somit mit ihrer Klage gescheitert.

Aufklärung bei Rechnung?

Um eine andere Art der Aufklärung ging es bei einer Deutschen, die nach einem Skiunfall in einer Salzburger Privatklinik behandelt wurde. Sie unterschrieb, dass sie zusätzlich zu einer Sozialversicherung auch noch eine Privatversicherung besitze. Erst nachher stellte sich heraus, dass die Frau nur eine gesetzliche Krankenversicherung hatte.

Die Deutsche meinte, man hätte sie besser über die Modalitäten aufklären müssen, und wollte die ihr in Rechnung gestellten Kosten nicht zahlen. Der Oberste Gerichtshof (9 Ob 19/16h) aber befand, dass die Frau zahlen müsse. Die strengere, für ärztliche Behandlungsfehler übliche Rechtsprechung „ist auf Fälle der Verletzung einer die Versicherungsdeckung betreffenden Aufklärungspflicht nicht übertragbar“, entschieden die Höchstrichter. (aich)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2016)

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